Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der goldene Schwarm - Roman

Der goldene Schwarm - Roman

Titel: Der goldene Schwarm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
Vom Netzwerk:
festgesteckt hat. Die drei Frauen hinter ihr lösen bei ihm eine beunruhigende Assoziation aus: die Moiren, Schicksalsgöttinnen. Das Mädchen muss ( Oh Gott!) Abbie Watson sein, und das, was sie in der Hand hält, sieht ganz nach einem Bootshaken aus. Die Mutter ist Harriet Spork, Gangsterbraut und Flagellantennonne, die nun offenbar ihre Verbrecherkarriere wiederaufgenommen hat. Und die alte Schachtel – die Zähne! Mein Gott, die Zähne! – muss Cecily Foalbury von Harticles sein. Seine Augen ruhen hoffnungsvoll auf Polly Cradle. Sie ist klein, sehr entschlossen und beherrscht. Ganz diskret, als wolle sie nicht zu viel Aufhebens darum machen, hält sie eine große Pistole in der Hand. Es handelt sich um ein altes Modell, sehr gut gepflegt, und es scheint erst kürzlich im Einsatz gewesen zu sein. Arvin Cummerbund muss an die zwei toten Männer in Edie Banisters Wohnung denken und an die anderen Neuigkeiten, die Rodney ihm bezüglich Edies Tod anvertraut hat.
    Nicht die Moiren. Schlimmer: Tricoteusen! , keucht etwas in seinem Kopf höchst beunruhigt. Die Rachegöttinnen der Guillotine! Stricken Leichenhaar. Flieh, Arvin! Flieh!
    Doch ein Cummerbund flüchtet nicht von seiner eigenen Türschwelle. Er steht. Vor allem, wenn eine Webley Mk VI auf seinen enormen Bauch gerichtet ist, der in Bewegung bereits ein leichtes Ziel abgibt, auf kurze Distanz jedoch beinahe unmöglich zu verfehlen ist, selbst mit einer etwas zweifelhaften Webley.
    »Mr Cummerbund«, raunt Polly Cradle. »Würden Sie bitte so freundlich sein und uns begleiten?«
    Irgendwo in seiner Wohnung befindet sich ein Panikkopf, den er zu jeder Zeit in seiner Tasche trägt. Das Gerät verfügt zudem über ein Umhängeband, sodass er es auch unter der Dusche tragen kann. Aber beim Einseifen ist es im Wege, und außerdem – da es nicht von Apple oder Sony entworfen wurde, sondern vom Verteidigungsministerium – ist es ausgesprochen hässlich. Deshalb befindet es sich nun außer Reichweite, auch wenn er erst kürzlich daran gedacht hat, die Batterie auszuwechseln. Er wirft noch einmal dem Bootshaken einen Blick zu und entdeckt den Namen WATSON in großen gemalten Buchstaben auf dem Griff. Abbie Watson funkelt ihn böse an.
    Arvin Cummerbund seufzt und gestattet ihnen, voranzugehen.
    »Der Fehler, den Sie gemacht haben«, sagt Polly Cradle in dem Haus in der Nähe von Hampstead Heath, »liegt, wenn Sie erlauben, darin, wie Sie sich selbst einschätzen im Verhältnis zu Ihren Feinden – zu denen ich dank Ihres Angriffes auf Joshua Joseph Spork nun ebenfalls gehöre. Sie glauben – da es Ihnen als Emissäre einer großen und machtvollen Verschwörung, die Ihrem kommerziellen und persönlichen Gewinn dient, so in den Kram passt –, dass Sie und Ihr charmanter Freund Mr Titwhistle über das verfügen, was ich mal als moralische Unterlegenheit bezeichnen möchte.«
    Mercer Cradle sitzt an einem nierenförmigen Schreibtisch auf der anderen Seite des Raums, beobachtet seine Schwester bei der Arbeit und blättert eine umfängliche Akte durch. Die Tricoteusen bilden neben ihm einen schaurigen kleinen Halbkreis und sehen ebenfalls zu. Cecily Foalbury hat sich auf einem hölzernen, für ein Verhör gänzlich ungeeigneten Schaukelstuhl niedergelassen, trinkt Tee und zieht ihn schlürfend durch ihre Metallzähne. Im hinteren Teil des Raumes lehnt eine große, kräftige Gestalt in langem Mantel an einem Bücherregal. Sie steht im Schatten, aber Arvin Cummerbund erkennt Englands meistgesuchten Verbrecher am Umriss seines Kiefers. Er hat etwas Gefasstes an sich. Irgendwie ist er erwachsen geworden.
    Arvins Stuhl ist ein teures, mit Chintz bezogenes Modell von Liberty. Er ist sehr gemütlich. Man hat ihm auch erlaubt, sein Handtuch zu behalten, und ihm sogar eine Decke gegeben, um sich zu wärmen. Umständlich zupft er an ihr herum.
    Polly Cradle wartet, bis sie seine volle Aufmerksamkeit hat, und fährt dann fort. »Sie glauben, dass es keine Tiefen gibt, zu denen Sie sich nicht herablassen würden. Aus dieser Vorstellung ziehen Sie ein Gefühl der Unverwundbarkeit. Mr Titwhistle und Sie glauben, dass Sie – wenn ich das mal grob formulieren darf – die Bösen sind. Sie hängen der Vorstellung an, dass Sie einer großen Notwendigkeit dienen und dadurch Ihre bösen Taten, aus denen Sie eine gewisse Erregung ziehen, legitimiert seien. Nichtsdestoweniger, so sagen Sie sich selbst, sind diese Handlungen, mögen sie auch bedauerlicherweise notwendig sein, ohne Zweifel

Weitere Kostenlose Bücher