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Der goldene Schwarm - Roman

Der goldene Schwarm - Roman

Titel: Der goldene Schwarm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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sind ihr von einer dieser Hände ausgerissen worden. Aber immerhin hat sie den Gegner identifizieren können: ein Wäldchen, Weißdorn und Eichen – zuschlagende knorrige Zweige.
    Und jetzt kriegt sie zu allem Überfluss auch noch die Klappe nicht auf. Ihre Finger sind zu kalt, und sie hat keinen Hebel dabei. Den Schraubenzieher, den sie zum Öffnen der Klappe im Gemeinschaftswaggon benutzt hat, hat sie dort liegen lassen. Gedankenlos.
    Also. Der Rückweg ist schmerzvoll, der Weg voran schwer. Entscheide dich.
    Edies Finger umklammern den Griff, und sie zieht mit aller Kraft. Langsam und steif hebt er sich. Gnädigerweise hat dieser Schacht keinen Filter, nur einen Verschluss, der sich anheben lässt, so … und dann schlägt er komplett auf, und beinahe stürzt sie wieder auf ihren Rücken.
    Sie lässt sich in die Dunkelheit hinuntergleiten. Die Kammer, übersät mit Lämpchen und Knöpfen, ist rot beleuchtet: Der Generatorraum, der für die Chiffriermaschinen Dampfkraft in Elektrizität umwandelt. Sie rührt nichts an, sieht ihr Spiegelbild in der Türscheibe und schreit fast auf: Rotes Licht hinter ihr, das Haar zerzaust und vom Kopf abstehend, Blut auf dem Gesicht und Augen wie Löcher in einer Maske. Sie sieht aus wie ihr eigener Geist, falls Geister überhaupt derartig derangiert sein können.
    Durch die Tür hindurch und dann noch zehn Schritte bis zur Rückseite von Abel Jasmines Büro. Gibt es eine Alarmvorrichtung? Edie weiß es nicht. Ganz gewiss gibt es eine an der Vordertür. Aber hat er auch die Möglichkeit der Infiltration von dieser Seite mit einberechnet? Vielleicht nicht. Wie sollte jemand hierher gelangen? Sich mit dem Fallschirm auf den fahrenden Zug herunterlassen? Von einer Brücke springen vielleicht – aber ohne dabei gesehen und erwartet zu werden? Sowieso alles hypothetisch – jetzt, da sie so weit gekommen ist. Sie kontrolliert die Tür einmal mit den Augen und – da ihr die Worte des Hüters in den Sinn kommen – auch mit den Fingerspitzen. Keine Kabel. Keine Ausbeulungen. Keine verdeckten Schalter. Da müsste doch irgendetwas sein?
    Sie fragt sich, ob vielleicht einfach eine Bombe auf der anderen Seite angebracht ist, sagt sich dann aber, dass Abel Jasmine und der Hüter und wer weiß wer noch ständig durch diese Tür gehen müssen, um den Generator zu kontrollieren, und es daher unwahrscheinlich ist, dass sie ohne Vorwarnung hochgeht. Außerdem würde es auch ihrer Vorstellung von der strategischen Konstruktion des Zuges zuwiderlaufen: Alles ist darauf ausgerichtet, diesen Raum zu sichern, nicht ihn zu zerstören. Auch wenn es zweifellos einen solchen Destruktionsmechanismus gibt, für den Extremfall …
    Genug. Sie öffnet die Tür.
    Nichts passiert. Keine Sirenen, keine wütenden Schreie. Na also. Sie tastet sich an der Wand entlang, findet den Schreibtisch und schaltet die Lampe an.
    »Du schuldest mir fünf Schillinge, Abel«, sagt Amanda Baines fröhlich. »Sie hat es bis hierher geschafft.«
    Sie sitzen im Schatten auf einer Ledercouch, Abel Jasmine in seinem Hausmantel und Amanda Baines in einem flotten Seefahrerkostüm samt Kapitänsmütze. Es ist nicht die Uniform, mit der man tatsächlich in See stechen würde.
    »Teufel noch mal, Mädchen«, sagt Amanda Baines, »wir müssen dich erst mal sauber kriegen.«
    »Trotzdem gute Arbeit, Miss Banister«, sagt Mr Jasmine. »In der Tat, sehr gut.« Er lächelt.
    »Bin ich nicht in Schwierigkeiten?«, fragt Edie.
    »Oh doch, und zwar in den allerfürchterlichsten. Aber nein, es wird Ihnen keine Strafe auferlegt. Sie werden befördert und versetzt. Sehr bald wird es Ihnen allerdings so vorkommen, als steckten Sie in gewaltigen Schwierigkeiten. Aber Sie haben das bestanden, was man als informellen Test bezeichnen könnte. Sie haben einen Plan ersonnen, sich Informationen beschafft, die ganze Sache zeitlich durchorganisiert und sich nicht von … sagen wir, körperlichen Annäherungsversuchen ablenken lassen.«
    Edie läuft von oben bis unten rot an.
    »Also, meine Liebe, Sie machen jetzt Karriere. Aber wie auch immer, das ist morgen. Heute müssen wir uns um diese Handverletzung kümmern und – heiliger Himmel, was ist denn mit Ihren Haaren passiert?«
    »Ein Baum«, sagt eine heisere Stimme von der Tür aus. »Der Bracknell-Wald.« Und da steht Clarissa Foxglove in ihrem Morgenmantel. »Mich hat damals die Ely-Brücke fast einen Kopf kürzer gemacht.«
    Abel Jasmine lächelt väterlich.
    »Jetzt verschwindet, ihr beiden. Ihr

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