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Der goldene Schwarm - Roman

Der goldene Schwarm - Roman

Titel: Der goldene Schwarm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Vermögen der Institution, für die er tätig ist. Um welche handelt es sich doch noch? Ich vermute, am Ende läuft es auf das Finanzministerium hinaus? Nun, dann ist ja reichlich vorhanden, nicht wahr? Was für ein glücklicher Umstand. Aber es wäre sicher besser, wenn Sie ein Wort mit dem Minister sprechen würden, Mr Titwhistle, und ihm sagen, dass er vorläufig keine nuklearen Sprengköpfe kaufen oder Bankenrettungsschirme aufspannen sollte, bis wir zu einer Einigung gekommen sind. Dafür wäre ich sehr dankbar, wir wollen ja kein Defizit verursachen. Ja, Mr Titwhistle, ich bin mir klar, dass Sie glauben, solche banalen Überlegungen nicht nötig zu haben, aber erlauben Sie mir, Ihnen zu versichern: Wenn wir unsere Anwälte ebenso mit Abschusserfolgen bemalen würden wie Militärflugzeuge, könnten Sie auf meinem Rumpf die Umrisse einiger unangreifbarer Regierungsabteilungen erkennen, die es nun nicht mehr gibt. Ich bin Mercer Cradle von der altehrwürdigen Kanzlei Noblewhite Cradle, und ich kann alles verklagen. Und dies ist Ihr Handlanger? Wissen Sie, ich habe mich immer gefragt, was das bedeutet. Wie genau handlangert man eigentlich? Gibt es einen akademischen Abschluss im Handlangern, oder handelt es sich eher um einen Ausbildungsberuf? Guten Abend, Mr Cummerbund, ich muss schon sagen, niemals habe ich einen Mann von feinerer Statur gesehen. Mr Spork ist mein Mandant, und zwar ein höchst respektabler, unterlassen Sie es also bitte, ihn, wie man früher so schön sagte, zu drangsalieren. Wer von Ihnen möchte der glückliche Empfänger dieses Schreibens sein, das seine sofortige Freilassung in meine Obhut anordnet? Aber wo habe ich denn meine professionellen Manieren? Sie müssen schlecht von mir denken: Wenn Sie Mr Spork als Verdächtigen betrachten, wie kommt es dann, dass Sie ihn verhören, obwohl er ausdrücklich meine Anwesenheit gewünscht hat und bevor Sie seine Rechte und seinen Status in der Ermittlung klargestellt haben?«
    Rodney Titwhistle blickt Joe vorwurfsvoll an, als wolle er sagen: »Ist dieser Mensch Ihr Freund?« und: »Das hätten Sie mir nicht antun müssen, ich habe doch bloß gefragt.«
    »Lieber Himmel«, sagt Mercer mit steigender Freude, »zufällig habe ich die Schuhe meines Mandanten hier. Joe, du Marke, zieh sie wieder an, sonst bekommst du noch Muskelkrämpfe in den Zehen, und die Schadenersatzforderungen nehmen gar kein Ende mehr! Joseph! Komm zu mir, bitte … Unter Druck ist er oft zerstreut«, beteuert Mercer Cradle, während er Joe in seine Schuhe hilft. »Verdrängte Schuldgefühle durch die schrecklichen Taten seines Vaters vielleicht – würde mich nicht wundern. Er ist sogar einmal mit einer Polizistin ausgegangen und hat ihr beim Dessert einen Antrag gemacht, ziemlich außergewöhnlich, aber natürlich hat sie Nein gesagt, na ja, wer hätte sich anders verhalten? Sagen Sie, Mr Cummerbund, wie lang ist es her, dass Sie Ihre Fußgelenke zum letzten Mal gesehen haben?« Mercer stellt sein verbales Trommelfeuer nicht ein, bis sie außerhalb der Hörweite und wieder auf der Straße sind, wo er Joe zusammen mit seinem stummen Begleiter in einen Wagen bugsiert.
    Die Ruskiniten sehen hinter ihren Schleiern zu, still und bewegungslos wie Eidechsen an einer Mauer. Einer von ihnen macht zwei knicksende, vogelartige Schritte, zieht sich dann zurück. Sie geben keinen Laut von sich.
    »Das hast du gut gemacht, Joe«, sagt Mercer. »Du warst großartig. Aber es steht außer Frage, dass wir in der Scheiße stecken. Im tiefsten Sumpf. Aus irgendwelchen Gründen, die mir noch nicht klar sind, rumoren Giganten in der Tiefe, und Schatten tauchen im Treppenhaus auf. Dies ist übrigens Reggie, einer der Schläger, die gelegentlich für mich arbeiten.« Dabei deutet er auf den vierschrötigen jungen Mann zu seiner Linken. »Zieht sich jetzt aus dem Beruf zurück, um Tierarzt zu werden, stell dir vor, doch in den nächsten zehn Minuten kannst du ihm dein Leben anvertrauen, aber tu’s nicht, vertrau lieber mir. Wie auch immer … guten Abend erst mal, und was zum Teufel geht hier eigentlich vor, aber probier doch das Lamm, es ist ganz hervorragend.«
    Denn Mercer, auf dessen Wort Verlass ist, hat ein Picknick mitgebracht.
    Joe liegt auf dem Sofa in der Raspberry Lounge, die man als den Wachturm von Noblewhite Cradle bezeichnen könnte, inmitten von altrosafarbenen Kissen und abgesetztem Damast und schläft, bis Mercer ihn weckt, indem er ihm einen Becher starken Kaffee direkt unter die Nase

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