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Der Goldkocher

Der Goldkocher

Titel: Der Goldkocher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Adloff
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fest, dass er nun auch nicht mehr zum Fenster von Anna hochschauen würde, sollte sie doch machen, was sie wollte. Es reichte jetzt! Ihn ging das doch nichts an, ob sie nun herumhurte oder nicht. Gar nichts ging ihn das mehr an! Vielleicht sollte er doch mal mit den Knechten mitgehen, wenn irgendwo zum Tanz aufgespielt wurde. Ja, er würde sich nach einer anderen umschaun! Und er musste endlich aufhören, sich diese Bilder von Anna zu machen!
    Da bemerkte er, dass der Bluthund unruhig am Tor hin- und herlief. Über das Tor spähte Lips in die schweigende Nacht. In den Häusern rund um den Platz waren alle Lichter erloschen, nur in einem Fenster flackerte kurz ein Licht auf. Auf der Straße war niemand zu sehen. Nur einige fette Ratten trippelten im Dämmerlicht über die Straße und zwängten sich durch die Bretter der Gosse. Als er zurück über den Hof ging, zwang er sich, nicht zum Fenster von Anna hochzuschauen.

40
    Einige Tage darauf ging ein Gerücht auf der Gasse, das die Gemüter erhitzte und rasch zur Gewissheit wurde: Dippel hatte in der Schlossküche tatsächlich eine erfolgreiche Probe abgelegt. Die Nachrichten überschlugen sich, und am Gesindetisch wurde mit Blick auf Lips von nichts anderem mehr erzählt. Die Knechte schauten ihn fragend an, als hätte er etwas dazu zu sagen, aber Lips schwieg und horchte. Soweit zu erfahren war, hatte Dippel eine Kupferstange halb mit Lehm bestrichen. Als er sie glühend aus dem Schmelztiegel herausgezogen hatte, war sie zur Hälfte in reinstes Dukatengold verwandelt. Nach der Probe habe Dippel dem König einige Gran von dem Arcanum geschenkt.
    Der Viehknecht berichtete später davon, dass sich um Dippels Haus Trauben von Menschen versammelten, die im Chor nach dem Goldmacher riefen. Einige Male war dieser im Fenster erschienen und hatte Münzen ausgeworfen. Die Einfältigen hätten gerufen, der Himmel habe Dippel gesandt, und spekulierten wohl darauf, dass sie bald keine Abgaben mehr zu zahlen brauchten. Selbst die Bauersfrauen aus den ärmsten Dörfern würden demnächst mit goldenen Ketten behangen über den Markt gehen! Die Menschen schwelgten in süßesten Hoffnungen, das Paradies schien nahe, und alle wollten daran teilhaben. Der Viehknecht meinte, es würden bald alle ein Leben führen wie ein Herr Graf persönlich. Er würde in der Woche wohl kaum mit tausend Dukaten auskommen und mehr als zwanzig Diener benötigen, denen er recht königliche mit Silberfäden gesäumte Livrees gäbe. Und dann, der Viehknecht schlug mit der Faust auf den Tisch, ginge er auf Brautschau und wollte seinem Weib Juwelen um den Leib hängen!
    Der Apotheker verbot dem aufgebrachten Gesinde kurzerhand das überflüssige Herumstromern. Jeder Botengang musste beim Hausknecht angemeldet werden, und die zeitige Rückkunft wurde kontrolliert. Der Viehknecht wurde vom Hausknecht eines Nachmittags im Stall vermisst, dann wurde das Kutschenhaus abgesucht, auch der Heuboden, die Keller und die Wirtschaftsgebäude, alle Arbeitsräume und Dach- und Schlafkammern. Er wurde jedoch nicht gefunden, und als er zum Abendtisch in die Gesindestube trat und sich still dazusetzte, als wäre er nur kurz auf der Kotgrube gewesen, wollte er nicht damit herausrücken, wo er gewesen war. Der Hausknecht strafte ihn im Hof vor dem ganzen Gesinde ab. Der Apotheker hatte auf zehn Streiche mit einer Haselnussrute gesprochen, und der Viehknecht bekam zudem einen strengen Verweis: Bei der nächsten Übertretung des Hausregiments würde er aus den Diensten entlassen werden. Nach der Abstrafung ging Pfarrer Porstmann mit Lips hinunter ins Laboratorium.
    »Wie weit bist du mit den Versuchen?«, fragte Pfarrer Porstmann. »Wann legst du eine Probe ab?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Lips. »Ich versuche, mich in das Quecksilber einzufühlen und seine Natur zu ergründen, aber ich brauche noch Zeit.«
    »Wir haben nicht mehr viel Zeit!«, sagte Pfarrer Porstmann und sah ihn ernst an. »Lips, ich habe keinen Zweifel an deinem chymischen Geschick und deinem Eifer, aber die Mitglieder unserer Gemeinde sind sehr besorgt über die Ereignisse. Äußerst besorgt! Du weißt, wegen Dippel. Du hast sicher davon gehört. Das Gesinde zerreißt sich ja das Maul darüber.« Pfarrer Porstmann lehnte sich vor. »Es geht ein Gerücht, dass er ein Betrüger ist. Er hätte sich das Projektionspulver auf dunklen Wegen angeeignet. Dippel wird jetzt beim König auf Vorschuss gehen wollen. Wie dem auch sei! Das Pulver ist außerordentlich

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