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Der Gotteswahn

Der Gotteswahn

Titel: Der Gotteswahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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höchsten Einbruchsquote sind rot. 24 der 29 Staaten mit der höchsten Diebstahlsquote sind rot. Und unter den 22 Staaten mit dem höchsten Anteil an Morden sind 17 rot. [38]

    Soweit es systematische Forschungsarbeiten gibt, sprechen diese in der Regel ebenfalls für solche Zusammenhänge. Gregory S. Paul etwa stellt im Journal of Religion and Society (2005) einen systematischen Vergleich zwischen 17 Industriestaaten an und gelangt dabei zu einer verheerenden Erkenntnis: »Ein höheres Maß des Glaubens an einen Schöpfer und ein höheres Maß an Gottesverehrung korrelieren in den wohlhabenden Demokratien mit einer höheren Quote an Morden, Kinder- und Jugendsterblichkeit, Übertragung von Geschlechtskrankheiten, Teenagerschwangerschaften und Abtreibung.« Und Dan Dennett kommentiert in Breaking the Spell: Religion as a Natural Phenomenon (»Die Durchbrechung des Zaubers: Religion als natürliches Phänomen«) derartige Untersuchungen mit trockenem Sarkasmus:

    Es versteht sich von selbst, dass diese Befunde so stark an den üblichen Behauptungen über die größere moralische Tugend von Gläubigen rütteln, dass religiöse Organisationen mit einer beachtlichen Welle weiterer Forschungsarbeiten versuchten, sie zu widerlegen. […] In einem Punkt allerdings können wir absolut sicher sein: Wenn es überhaupt eine erkennbare positive Beziehung zwischen moralischem Verhalten und religiöser Zugehörigkeit, religiöser Praxis oder religiösem Glauben gibt, dann wird man sie bald entdeckt haben, denn viele religiöse Organisationen sind darauf erpicht, ihre traditionellen Ansichten in dieser Frage wissenschaftlich zu erhärten. (Von der Fähigkeit der Wissenschaft zur Wahrheitsfindung lassen sie sich immer dann stark beeindrucken, wenn untermauert wird, was sie ohnehin bereits glauben.) Mit jedem Monat, der verstreicht, ohne dass ein solcher Nachweis geführt würde, wächst allerdings der Verdacht, dass es einfach nicht so ist.

    Die meisten nachdenklichen Menschen würden sicher darin übereinstimmen, dass eine Moral, die ohne Überwachung funktioniert, irgendwie moralischer ist als jene falsche Moral, die verschwindet, sobald die Polizei streikt oder die Überwachungskamera abgeschaltet wird. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um eine echte Überwachungskamera handelt, die mit dem Bildschirm in der Polizeiwache verbunden ist, oder um eine imaginäre Kamera, die im Himmel angebracht ist. Aber vielleicht ist es unfair, die Frage »Warum soll man sich Mühe geben, gut zu sein, wenn es keinen Gott gibt?« überhaupt so zynisch zu interpretieren. [39]
    Ein religiöser Denker könnte zu einer ernsthafteren moralischen Interpretation gelangen, die ungefähr so aufgebaut ist wie die folgende Aussage: »Wenn du nicht an Gott glaubst, dann glaubst du nicht, dass es irgendwelche absoluten ethischen Maßstäbe gibt. Du kannst dich mit bestem Willen darum bemühen, ein guter Mensch zu sein, aber wie willst du entscheiden, was gut und was schlecht ist? Maßstäbe für Gut und Böse liefert letztlich nur die Religion. Ohne Religion musst du diese Maßstäbe unterwegs erst aufbauen. Das wäre Ethik ohne Regelwerk – moralischer Blindflug. Wenn Moral nur eine Frage der persönlichen Entscheidung ist, könnte Hitler behaupten, er habe nach seinen eigenen, von der Rassenlehre inspirierten Maßstäben moralisch gehandelt, und dem Atheisten bleibt nichts anderes übrig, als schlecht und recht seine persönliche Wahl zu treffen. Ein Christ, ein Jude oder ein Muslim dagegen kann behaupten, dass das Wort ›böse‹ eine absolute Bedeutung hat, die zu allen Zeiten und an allen Orten gilt und der zufolge Hitler absolut böse war.«
    Selbst wenn es stimmen würde, dass wir Gott brauchen, um moralisch zu handeln, würde Gottes Existenz damit natürlich nicht wahrscheinlicher, sondern höchstens wünschenswerter (was viele Menschen allerdings nicht auseinanderhalten können). Aber darum geht es hier nicht. Mein imaginärer Religionsvertreter braucht nicht einzuräumen, dass das religiöse Motiv für gute Taten darin besteht, Gott in den Hintern zu kriechen. Er behauptet etwas anderes: Ganz gleich, woher das Motiv kommt, gut zu sein – ohne Gott gäbe es keinen Maßstab, um zu entscheiden , was gut ist. Jeder von uns könnte das Gute nach eigenem Gutdünken definieren und sich entsprechend verhalten. Ethische Prinzipien, die sich ausschließlich auf die Religion stützen (im Gegensatz etwa zur »goldenen Regel«, die häufig mit Religionen

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