Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Graben: Thriller (German Edition)

Der Graben: Thriller (German Edition)

Titel: Der Graben: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kôji Suzuki
Vom Netzwerk:
unbedingt auf die Toilette musste und ihr Hals wie ausgetrocknet war. Bis zum Kühlschrank waren es nur ein paar Meter, er schien jedoch viel weiter weg zu sein. Der Gedanke an kaltes Mineralwasser war verlockend, aber Saeko brachte es noch nicht fertig, sich zu bewegen.
    Das Leben war so qualvoll geworden, es war unerträglich. In letzter Zeit empfand Saeko das jeden Morgen so. Vor allem, als der Herbst in den Winter überging, hielt sie das elende Alleinsein kaum noch aus, es zerriss sie beinahe. Ihr aufgestauter Kummer schlug in ihr wild um sich und suchte nach einem Ausgang.
    Na los. Tu mir weh. Nimm mir das Leben, bitte.
    Den Tod fand sie verführerisch. Ihr fehlte der Mut dazu, sich umzubringen, doch wenn der natürliche Lauf der Dinge sie zum Tod führen sollte, würde sie sich derzeit nicht widersetzen. Sie hing überhaupt nicht am Leben. Die Gründe dafür waren vage, aber nicht unmöglich zu bestimmen.
    Die Scheidung vor sechs Monaten hatte ihr emotional und körperlich mehr zugesetzt, als sie erwartet hatte. Die Einsicht, dass sie zur Ehe nicht taugte, hatte ihr Selbstvertrauen zutiefst erschüttert und dazu geführt, dass sie sich noch mehr abschottete. Sie war zu der Überzeugung gelangt, dass ihr etwas fehlte, was andere Menschen hatten.
    »Irgendetwas stimmt mit dir nicht. Du bist wie eine Transformverwerfung. Eine menschliche Fossa Magna«, hatte ihr Mann einmal in einem Anfall von Verzweiflung gesagt.
    »Die Fossa Magna ist ein Grabenbruch, keine Transformverwerfung«, hatte Saeko ihn kühl korrigiert.
    »Siehst du, das meine ich!«
    Ähnliche Bemerkungen hatte er öfter gemacht, wenn auch nicht in exakt der gleichen Formulierung. »Du bist komisch. Du bist nicht normal.«
    Nachdem sie sich das oft genug hatte anhören müssen, hatte Saeko angefangen, es zu glauben.
    »Warum musst du Leute immer miteinander vergleichen? Das macht mich wahnsinnig!«
    Das war der einzige Vorwurf, der sie wirklich bis ins Mark getroffen hatte. Er hatte vollkommen recht gehabt. Saeko hatten ihren Mann bei jeder Gelegenheit mit ihrem Vater verglichen. Wann immer sie beobachtete, dass ihrem Mann etwas nicht gelang, das ihr Vater mit Leichtigkeit geschafft hätte, zog sie auf einer imaginären Wertungsliste Punkte ab.
    Kein Mann auf der Welt kann meinem Vater das Wasser reichen.
    Für Saeko galt das selbst heute noch. Der Trennungsschmerz nach fünf Jahren Ehe war nichts im Vergleich zu dem überwältigenden Verlustgefühl, als ihr Vater plötzlich fort gewesen war. Vor achtzehn Jahren war er ohne jegliche Erklärung verschwunden. Er war Saekos Beschützer und ihr einziger lebender Verwandter gewesen. Bis heute hatte sie nicht die leiseste Ahnung, was aus ihm geworden war, ob er noch lebte oder tot war.
    Saekos Mutter war vor fünfunddreißig Jahren bei ihrer Geburt gestorben. Soweit sie wusste, hatte es medizinische Komplikationen gegeben, doch ihr Vater hatte darüber kaum gesprochen.
    Meine Einsamkeit hat bei meiner Geburt begonnen.
    Wenn man es in diesem Licht betrachtete, passte alles zusammen. Saeko war auf die Welt gekommen, als ihre Mutter sie verlassen hatte, und ihr Vater hatte sie mit all seiner Liebe überschüttet. Deshalb war ihre Verzweiflung umso größer gewesen, als er verschwunden war. Über ihrem Leben schien ein Deckel geschlossen worden zu sein, sodass sie im Dunkeln eingesperrt war.
    Vielleicht war dies der Grund dafür, dass sie manchmal das Gefühl hatte, in einem engen Raum ohne Licht gefangen zu sein und sich nicht rühren zu können. Das war kein Traum, kein Hirngespinst und auch keine Schlaflähmung – es war viel realer und unmittelbarer. Als wäre sie in einer Art gallertartiger Membran eingeschlossen. Sie konnte die gummiartigen Wände spüren. Sie rollte sich darin wie ein Fötus zusammen, blind und unfähig, Arme oder Beine zu bewegen, und mit dem Gefühl, sie wäre der letzte Mensch auf Erden. Die Verlassenheit war so umfassend, dass es ihr immer schwerer fiel, sich zu bewegen. Erst nach Minuten schaffte sie es meistens, sich wieder zu rühren, und auch ihr Herzschlag beruhigte sich allmählich. Sie verschränkte die Hände über der Brust und atmete gleichmäßig, um das Herzklopfen zum Abklingen zu bewegen. Als ihre Fingerspitzen über ihre linke Brust streiften, bemerkte sie eine leichte, unbekannte Asymmetrie, einen kleinen, harten Klumpen an der Außenseite der Brust.
    Rasch zog sie die Hand weg, blieb reglos liegen und starrte an die Decke. Sie hatte die Angewohnheit, angesichts

Weitere Kostenlose Bücher