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Der Graf von Monte Christo 1

Der Graf von Monte Christo 1

Titel: Der Graf von Monte Christo 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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Monte Christo.
    Gegen fünf Uhr abends war man dicht an der Insel und unterschied in der durchsichtigen Abendluft die geringsten Einzelheiten.
    Edmund konnte die Augen nicht von dieser Felsenmasse lassen, die in allen Farben der Abenddämmerung, vom lebhaften Rosa bis zum dunklen Blau, schimmerte. Von Zeit zu Zeit stieg ihm das Blut ins Gesicht, eine Purpurwolke zog über seine Augen.
    Die Nacht kam. Um zehn Uhr abends erreichte man die Insel; die

»Junge Amalie« war das erste Schiff , das eintraf.
    Trotz seiner gewöhnlichen Selbstbeherrschung konnte Dantès nicht an sich halten; er sprang zuerst ans Ufer, und hätte er es gewagt, er hätte wie Brutus die Erde geküßt.
    Die Nacht war dunkel, aber um elf Uhr erhob sich der Mond aus der Mitte des Meeres, übergoß mit seinen silbernen Strahlen die Wasserfl äche und spielte um die Felsenmassen der Insel.
    Die Insel war der Mannschaft der »Jungen Amalie« vertraut; das Schiff pfl egte dort gewöhnlich anzulegen. Dantès war auf jeder seiner Reisen nach der Levante an der Insel vorübergefahren, war aber nie dort abgestiegen.
    Er fragte Jacopo:
    »Wo bringen wir die Nacht zu?«
    »Nun, doch an Bord der Tartane«, antwortete der Matrose.
    »Wären wir in den Grotten nicht besser aufgehoben?«
    »In welchen Grotten?«
    »Nun, in den Grotten der Insel.«
    »Ich kenne keine Grotten«, sagte Jacopo.
    »Gibt es keine Grotten auf Monte Christo?« fragte Dantès.
    »Nein.«
    Dantès war einen Augenblick betäubt; dann sagte er sich, daß diese Grotten in der Zwischenzeit durch ein Naturereignis verschüttet sein könnten oder daß der Kardinal Spada die Öff nung der Höhle zu größerer Vorsicht verstopft haben könnte.
    Es handelte sich also darum, diese verlorengegangene Öff nung wiederzufi nden. Während der Nacht zu suchen war unnütz; Dantès verschob deshalb seine Nachforschungen auf den folgenden Tag.
    Zudem zeigte ein Signal vom Meere her an, daß der Augenblick, an die Arbeit zu gehen, gekommen war.
    Weiß und schweigend wie ein Gespenst erschien bald das andere Schiff und warf eine Kabellänge vom Ufer entfernt Anker.
    Sofort begann der Transport.
    Dantès fürchtete, durch sein Verhalten und seine Fragen Argwohn erregt zu haben, aber niemand ahnte etwas, und als Dantès am andern Morgen ein Gewehr und Munition nahm und den Wunsch äußerte, eine der zahlreichen wilden Ziegen, die man von Felsen zu Felsen springen sah, zu erlegen, schrieb man diesen Ausfl ug nur der Jagdlust oder dem Verlangen nach Einsamkeit zu. Nur Jacopo wollte ihn begleiten. Dantès wollte sich dem nicht widersetzen, um nicht etwa Argwohn zu erregen. Kaum aber hatte er Gelegenheit gefunden, eine junge Ziege zu erlegen, so schickte er Jacopo mit der Beute zu den Kameraden zurück mit dem Auftrag, sie zu braten und, wenn das Mahl bereitet sei, ihm durch einen Flintenschuß ein Zeichen zu geben.
    Dantès setzte nun seinen Weg fort, wobei er sich von Zeit zu Zeit vorsichtig umsah.
    Als er die Spitze eines Felsens erreicht hatte, sah er tausend Fuß unter sich seine Kameraden, bei denen Jacopo soeben angekommen war und die sich schon lebhaft mit der Herrichtung des Frühstücks beschäftigten.
    Zwischen zwei Felswänden folgte er einem vom Wasser ausgehöhlten Pfad, den aller Wahrscheinlichkeit nach wohl niemals ein menschlicher Fuß betreten hatte. Er hatte sich dem Orte genähert, wo seiner Vermutung nach sich die Höhlen befunden haben muß-
    ten. Während er am Ufer entlangging und auf alles genau achtete, glaubte er an einigen Felsen von Menschenhand herrührende Einschnitte zu bemerken.
    Die Zeit schien diese Zeichen respektiert zu haben, die mit einer gewissen Regelmäßigkeit und wahrscheinlich, um eine Spur anzudeuten, angebracht waren. Hin und wieder aber verschwanden diese Zeichen unter blühendem Myrtengebüsch oder Flechten; er mußte dann die Zweige auseinanderbiegen oder das Moos entfernen, um sie zu fi nden. Die Entdeckung der Zeichen hatte ihm neue Hoff nung eingefl ößt; wahrscheinlich hatte sie der Kardinal angebracht, damit sich sein Neff e nach ihnen richten könnte. Dieser einsame Ort mußte zum Vergraben eines Schatzes wohl geeignet erscheinen. Aber hatten diese Zeichen nicht andere Augen als die, für die sie bestimmt waren, auf sich gezogen, und hatte die Insel ihr Geheimnis getreulich bewahrt?
    Sechzig Schritt von dem Hafen schien es Edmund, daß die Einschnitte aufhörten; aber sie endeten an keiner Grotte. Ein großer, runder Felsblock war das einzige Ziel, zu dem sie

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