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Der Graf von Monte Christo 2

Der Graf von Monte Christo 2

Titel: Der Graf von Monte Christo 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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gehen, Zeugen brauchen wir nicht.«
    »In der Tat«, sagte Monte Christo, »das ist überfl üssig, wir kennen uns ja zur Genüge!«
    »Im Gegenteil, wir kennen uns eben nicht«, antwortete der General.
    »Pah!« sagte Monte Christo, immer mit derselben Gelassenheit, die den Grafen zur Verzweifl ung brachte, »lassen Sie einmal sehen. Sind Sie nicht der Soldat Ferdinand, der am Vorabend der Schlacht bei Waterloo desertiert ist? Sind Sie nicht der Leutnant Ferdinand, der der französischen Armee in Spanien als Führer und Spion gedient hat? Sind Sie nicht der Oberst Ferdinand, der seinen Wohltäter Ali verraten, verkauft und ermordet hat? Und haben alle diese Ferdinands zusammen nicht den Generalleutnant Grafen von Morcerf, Pair von Frankreich, gemacht?«
    »Elender«, rief der General, den diese Worte wie glühendes Eisen trafen, »der du mir meine Schande in dem Augenblick vorwirfst, wo du mich vielleicht töten wirst! Nein, ich habe nicht gesagt, daß ich dir unbekannt wäre; ich weiß wohl, Dämon, daß du in das Dunkel der Vergangenheit gedrungen bist und im Licht, ich weiß nicht welcher Lampe, alle Seiten meines Lebens gelesen hast; aber vielleicht ist noch mehr Ehre in mir, in meiner Schande, als in dir unter deinem prunkenden Äußern. Nein, nein, ich bin dir bekannt, daß weiß ich, aber ich kenne dich nicht, mit Gold und Steinen behängter Abenteurer! Du nennst dich in Paris Monte Christo, in Italien Sindbad der Seefahrer, in Malta Gott weiß wie. Aber ich verlange von deinen hundert Namen den wahren zu wissen, damit ich ihn auf dem Kampfplatz aussprechen kann, wenn ich dir den Degen ins Herz stoße.«
    Der Graf von Monte Christo erbleichte furchtbar, sein Auge füllte sich mit einem verzehrenden Feuer; er eilte mit einem Satz in das anstoßende Zimmer, riß sich Krawatte, Rock und Weste ab, warf eine kleine Seemannsjacke über und setzte einen Matrosenhut auf, unter dem sein langes schwarzes Haar hervorquoll.
    So kam er zurück, furchtbar, unerbittlich, ging mit gekreuzten Armen auf den General zu, der sein Verschwinden nicht begriff en hatte und jetzt mit klappernden Zähnen zurücktaumelte, bis er Halt an einem Tisch fand.
    »Ferdinand«, rief der Graf, »von meinen hundert Namen brauche ich dir nur einen einzigen zu nennen, um dich niederzuschmettern; aber du errätst ihn, nicht wahr? Du erinnerst dich seiner? Denn trotz all meines Kummers und meiner Qualen zeige ich dir heute ein Gesicht, das das Glück der Rache verjüngt, ein Gesicht, das du in deinen Träumen oft gesehen haben mußt, seit deiner Heirat …
    mit Mercedes, meiner Braut!«
    Der General starrte mit zurückgeworfenem Kopf und vorgestreck-ten Händen die schreckliche Erscheinung an, dann wich er, an der Wand entlangtastend, langsam zur Tür zurück.
    Ein unheimlicher, jammernder Schrei entrang sich seiner Brust:
    »Edmund Dantès!«
    Stöhnend schleppte er sich bis zum Säulengang, taumelte wie ein Trunkener über den Hof und fi el in die Arme seines Kammerdieners, indem er mit unverständlicher Stimme murmelte: »Nach Hause, nach Hause!«
    Die frische Luft und die Scham, die ihm die Aufmerksamkeit seiner Leute verursachte, machten ihn fähig, seine Gedanken zu sammeln; aber die Fahrt war kurz, und in dem Maße, wie er sich dem Hause näherte, fühlte er seine Schmerzen sich wieder erneu-ern. Einige Schritte vor dem Haus ließ der General halten und stieg aus.
    Das Tor des Hauses war weit geöff net, eine Droschke hielt im Hof, die sich in dieser prächtigen Umgebung seltsam ausnahm. Der General sah diese Droschke mit Schrecken an, wagte aber niemand zu fragen und begab sich zu seinen Zimmern.
    Zwei Personen kamen die Treppe herab; er hatte gerade noch Zeit, in ein Zimmer zu treten, um ihnen auszuweichen. Mercedes, auf den Arm ihres Sohnes gestützt, verließ mit diesem das Haus.
    Sie gingen dicht an dem Unglücklichen vorüber, der, hinter der Portiere versteckt, von dem seidenen Kleid Mercedes’ gestreift wurde und die Stimme seines Sohnes hörte, als er sagte: »Mut, liebe Mutter! Kommen Sie, wir sind hier nicht mehr zu Hause.«
    Die Worte verhallten, die Schritte entfernten sich. Der General, dessen Hände den Vorhang umklammert hielten, richtete sich auf; er unterdrückte das schrecklichste Schluchzen, das sich je der Brust eines von Frau und Sohn zugleich verlassenen Vaters entrang.
    Er hörte den Schlag der Droschke zuwerfen, dann die Stimme des Kutschers, und gleich darauf erzitterten die Scheiben unter dem Rollen des

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