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Der Graf von Monte Christo 2

Der Graf von Monte Christo 2

Titel: Der Graf von Monte Christo 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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der ihn führte, war erst seit  da.
    Man führte ihn in sein eigenes Verlies.
    Er sah wieder das bleiche Licht, das durch das enge Fensterloch fi el, die Stelle, wo sich das jetzt fortgenommene Bett befunden hatte, und hinter dem Bett, wenn auch zugemauert, so doch noch durch die neueren Steine kenntlich, das von dem Abbé Faria gebrochene Loch.
    Monte Christo fühlte seine Beine schwach werden; er nahm einen Holzschemel und setzte sich.
    »Gibt es auch Geschichten über dieses Schloß, außer der von der Gefangenschaft Mirabeaus?« fragte der Graf. »Haben diese düsteren Stätten, von denen man nur schwer glauben mag, daß je lebende Menschen in ihnen eingeschlossen gewesen sind, irgendeine Überlieferung?«
    »Jawohl«, antwortete der Hausmeister, »und gerade über dieses Verlies hat mir mein Vorgänger, der Wärter Antoine, eine seltsame Geschichte erzählt.«
    Monte Christo erbebte. Dieser Antoine war sein Wärter gewesen.
    Er hatte fast den Namen und das Gesicht vergessen; als aber der Name ausgesprochen wurde, sah er ihn wie im Leben wieder vor sich, mit seinem bärtigen Gesicht, seiner braunen Jacke und seinem Schlüsselbund, dessen Klirren er noch zu hören vermeinte.
    Der Graf wandte sich um und glaubte ihn im Schatten des Korridors zu sehen, der durch das Licht der Fackel in der Hand des Hausmeisters noch dunkler erschien.
    »Soll ich sie Ihnen erzählen?« fragte der Hausmeister.
    »Ja«, antwortete Monte Christo, »erzählen Sie.«
    Und er faßte nach der Brust, um das heftige Herzklopfen zu unterdrücken.
    »Dieses Verlies«, begann der Hausmeister, »wurde vor langer Zeit von einem, wie es scheint, sehr gefährlichen Menschen bewohnt, der um so gefährlicher war, da er große Geschicklichkeit besaß. Mit ihm zugleich war noch ein Mann im Schloß, der war aber nicht böse; es war ein armer irrsinniger Geistlicher.«
    »So, irrsinnig«, wiederholte Monte Christo; »und welcher Art war sein Irrsinn?«
    »Er bot Millionen an, wenn man ihm die Freiheit geben würde.«
    Monte Christo hob die Augen zum Himmel, aber er konnte den Himmel nicht sehen; es lag ein dichter Schleier von Steinen zwischen ihm und dem Firmament. Er dachte daran, daß ein ebenso dichter Schleier sich zwischen den Augen derjenigen, denen der Abbé Schätze anbot, und diesen Schätzen befunden hatte.
    »Konnten die Gefangenen sich sehen?« fragte Monte Christo.
    »O nein, das war streng verboten; aber sie umgingen das Verbot, indem sie einen Gang brachen, der von diesem Verlies zum andern führte.«
    »Und welcher von beiden brach diesen Gang?«
    »Oh, der junge Mann, ganz entschieden«, antwortete der Hausmeister; »der junge Mann war erfi nderisch und stark, während der arme Abbé alt und schwach war und zudem sein Geist zu sehr zerrüttet, als daß er noch einen Gedanken zu verfolgen imstande war.«
    »Blinde …«, murmelte Monte Christo.
    »Genug also«, fuhr der Hausmeister fort, »der junge Mensch grub einen Gang. Womit? Davon weiß man nichts; aber er grub ihn, und der Beweis dafür ist, daß man noch die Spur sieht; da, sehen Sie?«
    Und er beleuchtete mit der Fackel die Mauer.
    »Ja, wahrhaftig«, äußerte der Graf mit einer Stimme, die vor Bewegung dumpf klang.
    »Die Folge war, daß die beiden Gefangenen zusammenkamen.
    Wie lange das dauerte, weiß man nicht. Da wurde eines Tages der alte Gefangene krank und starb, und wissen Sie, was der junge tat?«
    fragte der Hausmeister.
    »Sagen Sie’s.«
    »Er trug den Toten fort, legte ihn in sein eigenes Bett, mit dem Gesicht zur Wand, ging dann in das leere Verlies und kroch in den Sack des Toten. Haben Sie je von solch einem Einfall gehört?«
    Monte Christo schloß die Augen und fühlte alle die Eindrücke wieder, die er empfunden hatte, als die grobe, noch von der Leiche kalte Sackleinwand sein Gesicht berührt hatte. Der Hausmeister fuhr fort:
    »Sehen Sie, sein Plan war folgender: Er glaubte, die Toten würden im Schloß If beerdigt, und da er natürlich voraussetzte, daß man sich der Gefangenen wegen nicht die Unkosten für einen Sarg auf-laden werde, so rechnete er darauf, die Erde mit den Schultern heben zu können; es herrschte aber leider in dem Schloß ein Brauch, der seinen Plan über den Haufen warf; die Toten wurden nicht beerdigt, sondern man band ihnen eine Kugel an die Füße und warf sie ins Meer. So geschah es denn; unser Mann wurde oben von der Galerie ins Wasser geworfen, am folgenden Tag fand man den richtigen Toten und erriet alles, denn die

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