Der Graf von Sainte-Hermine - Dumas, A: Graf von Sainte-Hermine - Le Chevalier de Sainte-Hermine
Trauben auf die Schultern hingen; auf die Tunika war rötliches Herbstlaub gestickt.
Madame Récamier trug ihre gewohnte weiße Toilette und ihren roten indischen Kaschmirschal. Der von ihr kreierte Tanz mit dem Schal war mit großem Erfolg aus den Salons auf die Theaterbühnen gelangt.
Madame Récamiers Triumphe in diesem Tanz oder besser in dieser Pantomime sind bis in unsere Tage Gesprächsstoff geblieben, und jeder weiß, dass keine Bajadere des Theaters, die sich mit Haut und Haaren der Bühne verschrieben hatte, jemals diese Mischung aus Verworfenheit und Keuschheit zu erzeugen wusste, mit der die Göttin der Salons unter dem Fließen des schmiegsamen Stoffes ihre Reize zu enthüllen und zugleich zu verbergen verstand.
Die Gavotte wurde seit etwa einer Viertelstunde unter wachsendem Applaus vorgeführt, in den auch der Erste Konsul einstimmte. Auf ein Zeichen Bonapartes brach der ganze Saal in Beifallsstürme aus, in deren Mittelpunkt Vestris zu schweben schien, wie vom Gott der Choreographie der Erde entrückt, denn die Anmut der Gesten und Bewegungen schrieb er allein sich zu.
Als der Tanz beendet war, erschien ein livrierter Lakai und sagte leise
etwas zu der Gräfin von Sourdis, woraufhin diese anordnete: »Öffnen Sie den Salon.«
Daraufhin öffneten sich lautlos zwei Schiebetüren, und in einem hell erleuchteten Salon von atemberaubender Eleganz sah man an einem Tisch mit zwei Kandelabern zwei Gerichtsbeamte sitzen, vor denen der Ehevertrag in Erwartung der Unterschriften lag, die ihn bald bedecken sollten.
Nur etwa zwanzig Personen durften diesen Salon betreten, diejenigen, die den Vertrag unterzeichen würden, der allen Übrigen, die bereit waren zuzuhören, vorgelesen wurde.
Mitten während der Verlesung des Vertrags betrat ein zweiter livrierter Lakai so unauffällig wie möglich den kleinen Salon, schlich sich an den Grafen von Sainte-Hermine heran und flüsterte: »Der Chevalier de Mahalin verlangt, Sie unverzüglich zu sprechen.«
»Lassen Sie ihn warten«, sagte Sainte-Hermine, »am besten in dem kleinen Kabinett des großen Salons.«
»Herr Graf, er sagt, er müsse Sie auf der Stelle sprechen; selbst wenn Sie die Feder in der Hand hielten, bittet er Sie, sie niederzulegen und mit ihm zu sprechen, bevor Sie unterschreiben... oh, sehen Sie, dort steht er in der Tür.«
Mit einer Geste des Schmerzes, die wie eine Geste der Verzweiflung aussah, wandte der Graf sich um und verließ den Raum in Begleitung des Dieners und des Chevaliers.
Nur wenige bemerkten diesen Zwischenfall, und diejenigen, die ihn bemerkten, maßen ihm keine sonderliche Bedeutung bei.
Bonaparte, dem es stets damit eilte, zu beenden, was er begonnen hatte, die Tuilerien zu verlassen, wenn er dort weilte, und sie aufzusuchen, wenn er sie verlassen hatte, ergriff nach erfolgter Verlesung des Vertrags die Feder, die auf dem Tisch bereitstand, und unterzeichnete das Schriftstück, ohne sich darum zu scheren, ob er als Erster an der Reihe war, und so, wie er vier Jahre später dem Papst die Krone aus den Händen nehmen und sie Joséphine auf das Haupt setzen würde, drückte er ihr jetzt die Feder in die Hand.
Joséphine unterzeichnete.
Die Feder wurde von ihr an Madame de Sourdis weitergereicht, die sich mit einer gewissen instinktiven Unruhe vergebens nach dem Grafen von Sainte-Hermine umsah und, als sie ihn nirgends erblicken konnte, den Vertrag unterschrieb, um ihre Unruhe und die unerklärliche Angst, die sie überkam, vor den Anwesenden zu überspielen.
Doch nach ihr war der Graf an der Reihe, und nun suchten ihn alle Blicke vergebens.
Man musste ihn rufen. Er antwortete nicht.
Stille trat ein; die Gäste sahen einander verwundert an, außerstande, sich zu erklären, was dieses Verschwinden in einem solchen Augenblick und diese Missachtung jeglicher Formen zu bedeuten haben mochten.
Schließlich fand sich jemand, der sagte, während des Verlesens des Vertrags sei ein unbekannter junger Mann von ausgesuchter Eleganz in den Raum eingedrungen, habe dem Grafen etwas zugeflüstert und ihn mitgenommen, und der Graf sei ihm gefolgt, wie man dem Henker folgt, nicht aber einem Freund.
Aber vielleicht hatte der Graf nur den Salon verlassen und nicht das Haus.
Madame de Sourdis ließ einen Diener kommen und wies ihn an, sich mit anderen Dienern auf die Suche nach dem Grafen zu machen.
Gesagt, getan. Während einiger Minuten waren neben dem schweren Atmen sechshundert höchst überraschter Anwesender nur die Rufe der
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