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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Tageslicht. Ich bin mir sicher, daß diese Reaktion das weibliche Gegenstück zu jenem männlichen
    Gefühl in der Kehle ist.
    Ich fühlte auch physische Veränderungen an
    offensichtlicheren Stellen. Meine Brustwarzen stellten sich auf und wurden so empfindlich, daß bereits der Stoff meiner Tunika, der sich an ihnen rieb, Schauer der Erregung durch mich jagte. Ich fühlte, wie meine unteren weiblichen Organe anschwollen und warm und feucht wurden. Aber, seltsam, obwohl mein männliches Organ bei solchen Anlässen auf
    Berührungen noch empfindlicher reagierte als meine
    Brustwarzen, versteifte es sich weder, noch richtete es sich auf, wie es geschehen war, wenn ich sexuellen Verkehr mit Bruder Petrus oder Schwester Deidamia gehabt hatte.
    Diesen neuen und anomalen Zustand - sexuelle Erregung
    ohne die Erektion des Fascinums - konnte ich nur der
    Tatsache zuschreiben, daß, während Petrus mich belästigte, ich davon überzeugt war, ein Junge zu sein, und als
    Deidamia und ich uns miteinander vergnügten, sie ganz
    unzweifelhaft ein verführerisches Mädchen war. Also hatte mein viriles Organ offensichtlich so reagiert, wie es von einem Jungen erwartet wurde. Aber jetzt wußte ich - und alles in mir schien es zu wissen - Gudinand war ohne
    Zweifel ein Mann. Und ich begehrte ihn, wie eine Frau es tun würde - mein weibliches Selbst beherrschte jeden Teil von mir.
    Schließlich hatten meine Wunschträume so sehr von mir
    Gewalt ergriffen und ihre Unerfüllbarkeit mich so frustiert, daß ich ernsthaft in Erwägung zog, mich von Gudinand zu verabschieden und südwärts um den See herum hinter dem alten Wyrd herzuziehen. Aber dann, an einem Sonntag - es war zu heiß und stickig für anstrengende Spiele - rekelten Gudinand und ich uns in einer Wildblumenwiese vor der
    Stadt. Wir hatten Brot und Käse mitgenommen und aßen
    davon, während wir träge darüber diskutierten, mit welchen Streichen man den Tag verbringen könnte, etwa in die
    kleinen Gassen von Constantia zurückkehren und die
    jüdischen Ladenbesitzer schikanieren und verspotten, als Gudinand plötzlich sagte:
    »Horch, Thorn. Ich höre eine Eule schreien.«
    Ich lachte. »Um die Mittagszeit, im Hochsommer, eine
    Eule? Ich glaube kaum...«
    Auf Gudinands Gesicht erschien ein angstvoller Blick und seine Daumen preßten sich gegen die Handteller. Aber
    diesmal war etwas anders: Kurz bevor er von mir wegrannte, stieß er einen gequälten Schrei aus, so als peinigten ihn schlimme Schmerzen. Noch nie war ich ihm gefolgt, wenn sich ein solches Ereignis zutrug. Dieses Mal tat ich es.
    Vielleicht jagte ich nur wegen des ungewöhnlichen Schreis, den er ausgestoßen hatte, hinter ihm her, vielleicht auch, weil ich in letzter Zeit so viele weibliche Gefühle für ihn empfunden hatte, daß ich jetzt eine Spur mütterlicher
    Besorgtheit empfand.
    Gudinand hätte mich vielleicht, trotz seiner hufartigen Füße, abhängen können, aber ich holte ihn in einem
    Wäldchen nahe dem See ein, wo er auf den Boden gestürzt war. Offensichtlich war er nur so weit gerannt, bis er ein Versteck gefunden hatte, wo er dem Krampf, der ihn jetzt fest im Griff hatte, nachgeben konnte. Er wälzte sich nicht auf dem Boden herum; er lag auf dem Rücken und sein
    Körper war stocksteif, aber seine Arme und Beine zuckten, zitternd wie eine Bogensehne, nachdem der Pfeil
    abgeschossen wurde. Seine Gesichtszüge waren dermaßen
    verzerrt, daß ich sie kaum wiedererkannte. Seine Augen hatten sich nach innen verdreht, so daß man nur das Weiße sehen konnte. Die Zunge hing weit aus dem Mund heraus, und er verspuckte Speichel in großen Mengen. Außerdem
    stank er ekelerregend, denn sowohl seine Blase als auch sein Darm hatten sich entleert. Ich hatte solche Krämpfe noch nie zuvor gesehen, aber ich wußte, was es war: die Fallsucht. In St. Damian hatte ein älterer Mönch, ein
    gewisser Bruder Philotheus, an diesem Übel gelitten. Das war auch der Grund gewesen, warum er die Mönchskutte
    übergezogen hatte. Seine Anfälle waren so häufig
    gekommen, daß er für keinen anderen Beruf geeignet
    gewesen war. Niemals erlitt Philotheus einen Anfall in meiner Gegenwart, und er starb, als ich noch ziemlich jung war. Nichtsdestoweniger erklärte unser heilkundiger Bruder Hormisdas allen im Kloster, wie diese Anfälle verliefen, und er lehrte uns, wie wir unserem Bruder helfen könnten, wenn wir bei einem seiner Anfälle in seiner Nähe wären.
    An diese Anweisungen hielt ich mich nun. Von einem der

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