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Der Greifenmagier 2 - Land des Feuers

Der Greifenmagier 2 - Land des Feuers

Titel: Der Greifenmagier 2 - Land des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neumeier Rachel
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damit, dass Männer mit dem Brandeisen kamen und das Fluchgelübde-Mal wiederherstellten. Er konnte sich das Eisen lebhaft vorstellen: Er wusste noch genau, welchen Weg es über sein Gesicht ziehen würde und welche Qual das Einbrennen begleitete – welch scharf gezeichnete Narbe zurückbliebe, die unmöglich zu verstecken wäre und die ihn aufs Neue von der Welt freier Menschen trennen würde.
    Sein Grauen davor verstärkte sich während der ersten Tage und ließ dann wieder nach, als kein Eisen auftauchte. In mancher Hinsicht erstaunte ihn das mehr als die Stille und das Warten.
    Am Nachmittag des sechsten Tages hörte er verfrüht Wachleute auf dem Korridor – viel zu früh für das Abendessen. Und so war er nicht überrascht, als er die Riegel zurückgleiten hörte und die Tür kraftvoll geöffnet wurde.
    Gerent stand auf und wandte sich der Tür zu; in diesem Moment dachte er wieder an das Brandeisen. Er wusste, dass er sich wehren würde, wenn sie eines mitbrachten – nicht, dass es ihm etwas nützen würde, aber er täte es trotzdem ... Er wusste genau, wie es war, wenn man festgehalten wurde und das heiße Eisen ins Gesicht gedrückt bekam. Er schluckte schwer und starrte die offene Tür an.
    Kein Brandeisen tauchte jedoch auf, auch kein Topf mit glühenden Kohlen. Die Wachmänner brachten nur Ketten mit.
    Falls sie ihm Ketten anlegten, konnte er sich nicht mehr wehren, egal was sie ihm antaten. Trotzdem ließ er es zu, denn er sah keine unmittelbare Gefahr und hatte letztlich auch keine andere Wahl.
    Sie führten ihn aus der Zelle auf einen Korridor, der zwar schlecht beleuchtet war, aber nach der tiefen Dunkelheit in der Zelle hell wirkte. Dann ging es eine Treppe hinauf und einen weiteren Flur entlang, bis sie ein mit Lampen erhelltes Zimmer betraten, wo ein Becken mit kaltem Wasser und ein Stück raue Seife auf ihn warteten. Also war sein Band verkauft worden, vermutete Gerent. Jemand, der reich und bedeutend war, hatte ihn gekauft, und der Leiter des Gefängnisses wollte diese Person nicht beleidigen, indem er ihr einen schmutzigen Gefangenen übergab. Die einzige Frage, die Gerent dabei bewegte, lautete: War diese Person Tehre Annachudran? Er biss sich auf die Zähne, um diese Frage nicht auszusprechen; die Wachleute wussten es vermutlich nicht und hätten ohnehin keine Antwort gegeben.
    Die Wachmänner nahmen ihm die Ketten ab und warteten, während Gerent sich wusch. Weder beschimpften sie ihn dabei, noch äußerten sie sich überhaupt; sie verhielten sich völlig gleichgültig und wechselten nicht mal untereinander Worte. Anschließend zog Gerent die neuen Kleidungsstücke an, die sie ihm reichten. Sie waren schlicht, aber nicht so rau oder billig, wie er erwartet hatte. Gerent deutete die Qualität dieser Kleidung als weiteres Zeichen – falls er noch eines benötigt hätte –, dass derjenige, der sein Band gekauft hatte, bedeutend oder reich war. Oder höchstwahrscheinlich beides. Natürlich erhielt Gerent keine Stiefel, aber die Wachleute gaben ihm Sandalen. Gerent zog sie an und wartete darauf, wohin die Wachen ihn als Nächstes führten.
    Sie legten ihm erneut die Ketten an und führten ihn auf den Flur zurück, dann eine weitere Treppe hinauf in einen schöneren Teil des Gefängnisses. Hier wiesen die Wände endlich Fenster auf. Das goldene Licht des Spätnachmittags fiel herein und legte sich in langen Balken über den Fußboden. Für Gerent war das Licht so grell, dass ihm die Augen tränten. Er blinzelte, senkte den Kopf und ließ sich von den Wachen weiterführen, ohne zu protestieren oder Fragen zu stellen.
    Sie brachten ihn in einen reich ausgestatteten Raum, der kaum in dasselbe Gebäude zu passen schien wie die fensterlose Zelle, in der Gerent die letzten Tage verbracht hatte. Hier warteten ein Herr, der die schwere Goldkette eines Richters trug, ein Schriftführer, der ein großes Buch aufgeschlagen vor sich liegen hatte und eine Schreibfeder in der Hand hielt, sowie ein dritter Mann, der weniger leicht einzuordnen war. Er war klein. Und zwar sehr klein: nicht viel größer als ein Kind. Er war jedoch nicht jung. Sein Alter ließ sich schwer einschätzen: Er mochte vielleicht fünfzig oder sechzig sein, vielleicht auch siebzig oder noch älter. Die Haare waren schneeweiß, und er trug sie lang, am Nacken in einem geradezu aggressiv nicht-militärischen Stil nach hinten gekämmt. Er hatte eisgraue Augen und zarte, gerade Knochen, elegante Hände und ein undeutbares Lächeln.
    Die

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