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Der große deutsche Märchenschatz

Der große deutsche Märchenschatz

Titel: Der große deutsche Märchenschatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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Hause, das an einen Bach stieß. Da fiel es dem kleinen Müßiggänger ein, vom obern Boden des Hinterhauses ein Seil über den Bach zu ziehen und es am gegenüberliegenden Hause zu befestigen. Hier übte er sich heimlich im Seillaufen, und als er es zu einiger Fertigkeit gebracht hatte, ging an einem Sonntagnachmittag die Kunde durchs Dorf, der kleine Tyll werde sich auf dem Seil zeigen. Jung und Alt lief alsbald zusammen, um dies Schauspiel zu sehen. Und richtig! Eulenspiegel stieg vom Dachboden aus auf das Seil und schritt so sicher vor- und rückwärts, dass alles staunte. Seine Mutter aber schämte sich des Auflaufs und wollte ihren Sohn strafen. Sie schlich zum Hinterhaus und hieb das Seil entzwei, dass ihr Söhnlein in den Bach plumpste und unter dem Gelächter der Menge wie ein nasser Pudel ins Haus kroch. Doch es dauerte nicht lange, da gab er den Spott zurück. Als seine Mutter einmal in die nächste Stadt gegangen war, spannte er das Seil wieder über den Bach, sodass die Jugend des Dorfes alsbald herbeilief, um sich zu ergötzen. »Wollt Ihr Eure Schuhe ausziehen und sie mir auf kurze Zeit geben, so werde ich Euch auf dem Seil ein schönes Kunststück zeigen«, sprach Eulenspiegel. Alsbald hatte er mehr als fünfzig Paar Schuhe beisammen. Diese fasste er an eine Schnur und stieg mit ihnen auf das Seil. Oben angekommen, rief er der gaffenden Menge zu: »Aufgepasst! Jeder gebe acht und suche, was sein ist!« Dann schnitt er die Schnur entzwei und warf die Schuhe hinab, alle auf einen Haufen. Da stürzten die Jungen herbei und prügelten sich um ihr Eigentum, sodass ein Mordsspektakel entstand. Eulenspiegel aber rief ihnen vom Seil herab zu: »So ist’s recht! Letzthin war das Lachen an Euch, heute ist’s an mir.«
    Ein andermal nahm ihn seine Mutter mit in ein benachbartes Dorf, wo Kirchweih abgehalten wurde. Hier tat der Knabe des Guten bald zu viel, darum suchte er einen Ort, an dem er sich schlafen legen konnte. Er kam in ein Bienenhaus und fand da viele leere Bienenstöcke. In einen derselben kroch er und schlief ein. Seine Mutter suchte ihn, und da sie ihn nicht finden konnte, meinte sie, er wäre nach Hause gegangen. Der Knabe aber schlief von Mittag bis tief in die Nacht hinein. Um Mitternacht kamen zwei Diebe, die einen Bienenstock stehlen wollten. »Der schwerste ist der beste«, sagten sie zueinander, und als sie die Körbe mit den Händen abgewogen hatten, nahmen sie denjenigen, in dem Eulenspiegel lag und trugen ihn auf einer Tragbahre fort. Darüber erwachte Eulenspiegel. Als er aus dem Gespräch der Diebe merkte, was vorging, richtete er sich im Korbe auf und rupfte den vorderen Dieb tüchtig am Haar. Weil es aber so stockfinster war, dass keiner den anderen sehen konnte, meinte der vordere, sein Kamerad habe ihn gezaust und begann zu schimpfen. Der Kamerad aber sagte: »Wie sollte ich dich zupfen können, da ich doch mit beiden Händen tragen muss?« Nach einer Weile nahm Eulenspiegel den hinteren Räuber am Schopf, dass dieser meinte, der vordere spiele ihm diesen Schabernack; deshalb fing auch er an zu fluchen und zu schimpfen. So gingen sie zankend und streitend eine Ackerlänge weiter, als Eulenspiegel beide zugleich so heftig an den Haaren zerrte, dass ihnen die Augen überliefen. Darüber wurden die beiden Kerls so zornig aufeinander, dass sie die Tragbahre fallen ließen, übereinander herfielen und sich im Finstern so zerbläuten, dass jeder von ihnen Reißaus nahm. Als sie fort waren, blieb Eulenspiegel im Korbe liegen, bis der Tag anbrach, dann kroch er hervor und langte wohlbehalten bei seiner Mutter an.
    So wuchs Eulenspiegel in lauter Gedanken an Schalkhaftigkeit und Narretei heran, und als er größer geworden war, wanderte er als Geselle, der jedes Handwerk, wie es ihm gerade passte, erlernt haben wollte, durch vieler Herren Länder. Das eine Mal nahm er Arbeit bei einem Bäcker, und als er den Meister vorm Schlafengehen fragte, was er backen solle, sagte dieser spöttisch: »Eulen und Meerkatzen!« Eulenspiegel nahm dies wörtlich und formte die Nacht über den Teig zu lauter seltsamen Tiergestalten, sodass der Meister vor Ärger hätte bersten mögen, als ihn am Morgen in der Backstube die vielen Eulen und Meerkatzen anglotzten. Glücklicherweise fand die Gassenjugend großen Gefallen all den wunderlichen Broten, sodass der Meister keinen Schaden

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