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Der große deutsche Märchenschatz

Der große deutsche Märchenschatz

Titel: Der große deutsche Märchenschatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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nahm sich immer noch eine andere Arbeit mit, um ja nie müßig zu sein.
    Unten am Berg stand ein Grafenschloss, darin lebte ein junger Graf, der noch unverheiratet war und eben daran dachte, wen er etwa zur Gräfin ausersehen sollte. Er sah das Griseldele alle Tage auf den Berg fahren und wunderte sich nicht nur über ihre Schönheit, sondern noch viel mehr über ihren Fleiß und ihre Sittsamkeit. Da kam ihm denn einmal in den Sinn: Das fleißige, sittsame Mädchen sollst du zur Gemahlin nehmen; denn eine bessere findest du nicht, so weit der Himmel blau ist.
    Dieser Gedanke setzte sich immer mehr in seinem Kopf fest, und er war bald entschlossen, das Griseldele zu seiner Frau zu nehmen. Er ließ alles zur Hochzeit zurechtmachen, sagte aber keinem Menschen etwas, wer diejenige sei, die er zur Braut ausersehen habe. Als alles in Ordnung war und zur Hochzeit nichts mehr mangelte als die Braut, da befahl er seinen Bedienten, in den Stall zu gehen und die Rosse zurechtzurichten, damit er seine Braut abholen könnte. Als der Wagen zur Abfahrt bereitstand, hieß er alle weggehen, denn er wollte nicht, dass jemand mit ihm fahre und darauf komme, dass die Braut nur von gemeinem Stand sei.
    Als alle weg waren, trug er schöne Frauenkleider, die er in der Nähe versteckt hatte, in den Wagen, setzte sich auf und fuhr von dannen. Er kam bald in die Gegend, wo das Bäuerlein mit den drei Töchtern wohnte. Das Haus selbst aber stand nicht an dem Weg, sondern ein ziemliches Stück abseits. Da bog er nun von der Straße ab und fuhr zu dem Haus hin.
    Das Bäuerlein, das eben vor dem Haus Holz spaltete, wunderte sich über die Kutsche, die daherkam, und dachte: Der hat schön den Weg verfehlt, da muss ich ihm doch entgegenlaufen und sagen, dass er umkehrt. Augenblicklich legte er die Hacke beiseite und lief der Kutsche entgegen. Schon von Weitem deutete er mit dem Arm, dass der Fuhrmann umkehren sollte, und als er nahe kam und den Herrn sah, sagte er: »Fahren Sie nur gleich zurück, Sie sind ganz auf dem falschen Weg; da kommen Sie ja nirgends hin als zu meiner Hütte hinüber.«
    Der Herr lächelte und sagte kurz: »O nein, Vaterle, ich bin schon auf dem rechten Weg.« Hiermit gab er den Rossen einen leichten Schlag und fuhr noch viel lustiger dahin als früher.
    Das Bäuerlein kehrte auch wieder um und lief der Kutsche nach. Als der Herr beim Haus ankam, wartete er auf das Männlein und fragte es dann, ob es nicht etwa drei Töchter habe.
    Â»Drei Töchter habe ich wohl«, antwortete das Männlein.
    Â»Nun, so heiße sie herausgehen.«
    Das Bäuerlein wunderte sich sehr, warum der Graf die drei Töchter begehre, aber zu fragen getraute er sich nicht, und er musste nun einmal seinen Willen tun, wenn er auch nicht wusste, warum. Er ging hinein und holte die Töchter. Da kamen die älteren zwei heraus in ihrem grauen Gewand, das sie immer anhatten. Der Graf sah, dass die rechte nicht darunter war, und fragte das Bäuerlein: »Hast du nicht noch eine? Du hast ja gesagt, dass du drei hast? Wo ist denn die dritte, dass sie sich nicht sehen lässt?«
    Das Bäuerlein entschuldigte sich und sagte: »Das Griseldele hab’ ich auch gebeten, herabzugehen, es ist mir aber um alles in der Welt nicht gegangen, weil es sich gerade so viel geschämt hat.«
    Â»Heiße sie nur doch herausgehen«, sagte der Herr, »und sage ihr, ich möchte sie durchaus sehen, und sollte sie so schlecht gekleidet sein, wie sie wollte.«
    Das Bäuerlein ging hinein, um sie zu holen, und endlich kam das Griseldele im grauen Kittel heraus. Sie scheute sich so vor dem fremden Herrn, dass sie brennrot war im ganzen Gesicht, aber dem Grafen gefiel es so weit besser, als wenn sie recht frech und keck vor ihn getreten wäre. Er erkannte sogleich, dass es diejenige war, die er sich schon lange gewünscht hatte, und fragte sie, ob sie seine Frau werden möchte. Man weiß wohl, dass sie anfangs meinte, es sei nur Spaß und der gräfliche Herr habe sie zum Besten. Wie er aber zwei-, dreimal dieselbe Frage wiederholte und ihr hoch und teuer versicherte, dass es sein voller Ernst sei und die Leute schon auf die Hochzeit warteten, da fing sie an, es nach und nach zu glauben, und stotterte ein verschämtes Ja.
    Der Graf dankte ihr, gab ihr die schönen Kleider aus dem Wagen und sagte, sie sollte jetzt das graue Kittele wegwerfen und das seidene Gewand

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