Der grosse Johnson_ Die Enzyklopadie der Weine, Weinbaugebiete
tanninreiche Trousseau, mit der man allzu »geschmeidige« Tropfen aufpeppt. Immer häufiger kommt Pinot noir in Verschnitten zum Einsatz, um den Weinen mehr Farbe und Rückgrat zu verleihen. Ansonsten ist Rot in der Minderheit: Das Gros der Weine bleibt wegen der hellen Schalen rosa, obwohl nach Art eines Roten vergoren.
Die Standardtraube für leichte Weiße ist heute die Chardonnay, der man manchmal auch unter dem Pseudonym Melon d’Arbois oder Gamay blanc begegnet. Sie erbringt ordentliche, aber keinesfalls spektakuläre Ergebnisse. Ein Großteil wird zu Schaumwein verarbeitet. Die eigentliche Spezialität aber heißt Savagnin bzw. Naturé, im Schweizer Wallis Heida genannt. Angeblich ist sie mit dem Traminer aus dem Elsass verwandt, viele geschmackliche Gemeinsamkeiten haben sie aber nicht. Die ertragsarme Savagnin reift spät und liefert alkoholschwere, volle Weine. Werden mit ihr lediglich Chardonnay-Fässer aufgefüllt, verleiht sie dem Wein eine herrlich rustikale Qualität, weshalb man ihn mitunter als vin typé beschreibt. Wird sie jedoch reinsortig bereitet, entsteht aus ihr ein salziger, nussiger Wein von außerordentlicher Persönlichkeit. Puristen bestehen allerdings darauf, dass sortenreiner Savagnin ein trockener Tischwein sei und mithin nicht zum traditionellen Jura-Repertoire gehöre.
Die wahre Bestimmung der Savagnin-Traube aber ist ein seltsames, stark an einen Fino Sherry erinnerndes Getränk.
Die Höchstertragsgrenze für diesen oxidativen vin jaune liegt bei 20 Hektoliter pro Hektar. Der junge Wein ruht in alten Fässern, die schon viele vins jaune s gesehen haben. Man füllt sie nicht ganz auf, sondern lässt einen Leerraum. Auf der Oberfläche des Weins entsteht nun eine Florhefe, die vermutlich aus dem Fassholz den Weg in die Flüssigkeit gefunden hat, und verhindert den direkten Kontakt mit Sauerstoff. In diesem Zustand muss der Wein über einen vorgeschriebenen Mindestzeitraum von sechs Jahren und drei Monaten ruhen, ohne dass die Fässer aufgefüllt werden dürfen. Danach hat er 30 Prozent seines Volumens eingebüßt, aber eine wundersame Stabilität gefunden. Ein fertiger vin jaune ist ein beeindruckender Aperitif mit intensivem Geschmack, einer leicht oxidativen Note (die Hefeschicht ist nicht so dick wie in Jerez) und guter Länge, kurzum: ein feiner, lohnender Genuss. Berühmt für ihren »gelben Wein« sind das Dorf Château-Chalon und einige Nachbargemeinden, doch findet man in der gesamten Region gute Exponenten.
Wein, der in so geringen Mengen, nach einem so aufwendigen Verfahren und keineswegs jedes Jahr erzeugt wird, ist zwangsläufig teuer. Der vin jaune wird wie Tokajer in kleineren Flaschen als üblich abgefüllt, was den hohen Preis etwas kaschiert. (Die langhalsige, breitschultrige clavelin des Jura fasst 0,62 Liter.) Es wäre vermessen zu behaupten, dass vin jaune auch nur annähernd so preiswert, verlässlich oder sogar köstlich ist wie erstklassiger Fino Sherry. Aber es gibt ihn, und als Weinfreunde sollten wir für Vielfalt dankbar sein und sie fördern.
Eine weitere regionale Spezialität, die mit hohem Zeitaufwand zustande kommt, ist der vin de paille . Man bereitet ihn aus Trauben, die auf Dachböden aufgehängt oder auf Stroh, paille , getrocknet wurden. So konzentriert man ihre Süße nach Art des italienischen vin santo . Die Trocknung dauert mindestens zwei Monate. Anschließend muss der Wein noch einmal wenigstens drei Jahre im Fass reifen – früher lag er dort sogar zehn Jahre. Das Ergebnis ist eine Essenz mit 15,5 bis 16 Prozent Alkohol und rund 100 Gramm Restzucker.
Die Weinberge im Jura wurden im 19. Jahrhundert von der Reblaus verwüstet und haben viele Jahre gebraucht, um sich zu erholen. Heute gedeiht der Weinbau wieder, was zum Großteil dem Fremdenverkehr und treuen Privatkunden aus Frankreich zu verdanken ist. Die Statistik weist 230 Güter aus, von denen nur wenige mehr als 13 Hektar bewirtschaften. Einer der größten Händler und Weinbauer ist Henri Mair. Die Werbetafeln für seinen Vin Fou zieren Tausende von Schuppen am Straßenrand.
Eine weitere örtliche Spezialität ist der MacVin, der nichts mit einer bekannten Fast-Food-Kette zu tun hat. Er besteht aus zwei Dritteln Traubensaft und einem Drittel marc , Tresterschnaps, der bis zu 30 Monate in Fässern gereift ist. Seit 1991 hat dieses Erzeugnis sogar seine eigeneAC.
Trotz oder vielleicht gerade wegen der einzigartigen Weine des Jura haben einige junge Winzer in den letzten Jahren
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