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Der große Schlaf

Der große Schlaf

Titel: Der große Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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Anzeichen von Ebbe und Elend. Ich ging den Flur lang und um eine Ecke. Der Name »L. D. Walgreen –
    Versicherungen« stand auf einer dunklen Milchglastür, auf einer zweiten, ebenso dunklen, und einer dritten, hinter der Licht schien. Auf einer der dunklen Türen stand: »Eingang«.
    Über der erleuchteten Tür stand das Oberlicht offen. Die scharfe Piepsstimme von Harry Jones drang hindurch und sagte: »Canino? ... Ja, ich hab Sie irgendwo schon gesehen.
    Klar.«
    Ich erstarrte. Die andere Stimme sprach. Sie schnurrte wie ein kleiner Dynamo hinter einer Backsteinmauer.
    Sie sagte: »Dacht ich mirś doch.« Es war ein unbestimmt drohender Ton in dieser Stimme.
    Ein Stuhl scharrte auf Linoleum, Schritte erklangen, das Oberlicht über mir schloß sich quietschend. Ein Schatten zerschmolz hinter dem Milchglas.
    Ich ging zurück zur ersten der drei Türen, die mit dem Namen Walgreen versehen waren. Ich probierte sie vorsichtig.
    Sie war verschlossen. Sie saß lose im Rahmen, eine alte Tür, vor vielen Jahren eingepaßt, aus schlecht abgelagertem Holz, das jetzt ausgetrocknet war. Ich langte meine Brieftasche heraus und klemmte die dicke, feste Zelluloidfolie von meinem Führerschein los. Ein Einbrecherwerkzeug, das der Gesetzgeber vergessen hatte, unter Strafe zu stellen. Ich zog meine Handschuhe an, lehnte mich sanft und liebevoll gegen die Tür und drückte den Knopf fest vom Rahmen weg. Ich schob die Zelluloidplatte in den breiten Spalt und fühlte nach dem Schnapper des Schlosses. Es klickte trocken, als zerbräche ein kleiner Eiszapfen. Ich hing reglos an der Tür wie ein fauler Fisch im Wasser. Drinnen geschah nichts. Ich drehte den Knopf und stieß die Tür ins Dunkel auf. Ich schloß sie hinter mir so vorsichtig, wie ich sie geöffnet hatte.
    Vor mir befand sich das erleuchtete Rechteck eines gardinenlosen Fensters, in das die Ecke eines Schreibtisches schnitt. Auf dem Schreibtisch zeichneten sich die Umrisse einer zugedeckten Schreibmaschine ab, dann sah ich den Metallknopf einer Verbindungstür. Sie war unverschlossen. Ich trat ins zweite der drei Büros. Plötzlich trommelte Regen gegen das geschlossene Fenster. Bei seinem Geplätscher durchquerte ich den Raum. Ein dichter Lichtfächer quoll aus einer zollbreiten Türöffnung und erhellte das Büro. Alles sehr bequem. Ich schlich wie eine Katze auf dem Dach und erreichte die Angelseite der Tür, linste durch die Spalte und sah nichts weiter als Licht, das auf eine Holzkante fiel.
    Die schnurrende Stimme sagte jetzt ganz freundlich: »Klar kann sich einer auf seine vier Buchstaben setzen und rauspuzzeln, wasń andrer gemacht hat, wenn er weiß, woś langgeht. Also gehst du los und suchst diesen
    Schlüssellochgucker auf. Das warń Fehler. Eddie mag das nicht. Der Schlüssellochgucker hat Eddie erzählt, daß immer einer in ńem grauen Plymouth hinter ihm herfährt. Eddie will natürlich wissen, wer und warum, verstehste?«
    Harry Jones lachte sorglos auf. »Was geht ihn das an?«
    »So kommste nich weiter.«
    »Sie wissen, weshalb ich zu dem Schlüssellochgucker gegangen bin. Ich habś Ihnen bereits gesagt. Wegen Joe Brodys Mädchen. Sie muß verduften und läuft schon auf den Brandsohlen. Sie hat gemeint, der Schnüffler könnte ihr zuń bißchen Kies verhelfen. Ich hab keinen.«
    Die schnurrende Stimme sagte sanft: »Kies wofür? Soń Schlüssellochgucker ist doch kein Wohlfahrtsamt.«
    »Er könnteś schon ranschaffen. Er kennt reiche Leute.«
    Harry Jones lachte ein tapferes, kleines Lachen.
    »Mach keinen Ärger, kleiner Mann.« Die schnurrende Stimme hatte einen Kratzer, wie Sand im Getriebe.
    »Okay, okay. Sie wissen doch, wie Brody weggeputzt worden ist. Es stimmt schon, daß es dieser verrückte Bubi war, aber in der Nacht, in derś passiert ist, war dieser Marlowe im Zimmer mit dabei.«
    »Das ist bekannt, kleiner Mann. Er hatś der Polizei erzählt.«
    »Sicher – aber eins ist nicht bekannt. Brody hat ein Nacktfoto von dem kleinen Sternwood-Mädchen verhökern wollen. Marlowe hat Wind von bekommen. Während sie sich noch drum balgten, ist die kleine Sternwood selber aufgetaucht
    – mit ńem Ballermann. Sie hat auf Brody geschossen. Sie schießt ńe Fahrkarte und demoliert ein Fenster. Nur hat der Schnüffler den Bullen nichts davon erzählt. Und Agnes auch nicht. Sie meint, ihr Fahrgeld springt dabei raus, wenn sieś läßt.«
    »Das alles hat nichts mit Eddie zu tun?«
    »Wie sollte es?«
    »Wo ist diese Agnes jetzt?«
    »Nix zu wollen.«
    »Du

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