Der große Trip: Tausend Meilen durch die Wildnis zu mir selbst (German Edition)
vulkanischen Bergen. Trotz meiner bedrohlichen Lage war ich hingerissen von der Schönheit der Landschaft. Ich war selten dämlich, ja, ich konnte in der Hitze verdursten oder an Entkräftung sterben, ja, aber wenigstens hatte ich mir dafür einen wunderschönen Ort ausgesucht – einen Ort, den ich trotz oder gerade wegen seiner Härten lieben gelernt hatte und den ich aus eigener Kraft auf meinen zwei Füßen erreicht hatte. Mich mit diesem Gedanken tröstend marschierte ich weiter, so durstig, dass mir schlecht wurde und dass ich leicht fieberte. Es wird schon gut gehen, sagte ich mir. Es ist nur noch ein kurzes Stück, sagte ich mir hinter jeder Biegung und nach jedem Anstieg. Die Sonne stand schon tief über dem Horizont, als der Stauweiher endlich auftauchte.
Ich blieb stehen und starrte ihn an. Es war ein erbärmlich aussehender, dreckiger Tümpel von der Größe eines Tennisplatzes, aber es war Wasser darin. Lachend vor Freude taumelte ich den Hang hinunter zu dem kleinen schmutzigen Strand, der den Weiher umgab. Zum ersten Mal hatte ich dreißig Kilometer am Tag zurückgelegt. Ich schnallte das Monster ab, stellte es auf den Boden, ging zum schlammigen Ufer, kauerte mich nieder und tauchte die Hände ins Wasser. Es war grau und warm wie Blut. Meine Hände wirbelten schmierige Schlieren vom Grund auf, die das Wasser mit schwarzen Streifen durchzogen.
Ich holte den Wasserfilter und pumpte das fragwürdige Nass in meine Flasche. Das Gerät war immer noch so schwer zu bedienen wie an den Golden Oak Springs, als ich es das erste Mal benutzte, aber hier war es besonders mühsam, da das verschlammte Wasser die Filtereinsätze halb verstopfte. Mein Arm zitterte von der Anstrengung, als endlich eine Flasche gefüllt war. Ich ging zum Erste-Hilfe-Set, nahm die Jodtabletten heraus und ließ zwei in das Wasser fallen. Ich hatte die Tabletten genau für den Fall mitgenommen, dass ich einmal gezwungen sein könnte, Wasser zu trinken, das wahrscheinlich mit Keimen verseucht war. Selbst Albert hatte die Tabletten durchgehen lassen, als er in Kennedy Meadows gnadenlos alles Entbehrliche aussortiert und auf einen Haufen geworfen hatte. Derselbe Albert, den tags darauf eine durch verunreinigtes Trinkwasser hervorgerufene Krankheit außer Gefecht gesetzt hatte.
Ich musste dreißig Minuten warten, bis das Jod seine Wirkung getan hatte und das Wasser getrunken werden konnte. Ich war am Verdursten, lenkte mich aber ab, indem ich auch die andere Flasche füllte. Als ich damit fertig war, breitete ich die Plane auf dem schmutzigen Strand aus, stellte mich darauf und zog mich nackt aus. Der Wind hatte sich mit Einbruch der Dämmerung abgekühlt und strich wohltuend über die brennenden Stellen an meinen Hüften. Dass jemand auf dem Trail auftauchen könnte, kam mir nicht in den Sinn. Ich war den ganzen Tag keiner Menschenseele begegnet, und selbst wenn jemand vorbeigekommen wäre, so wäre mir das egal gewesen. Ich war zu apathisch vor Erschöpfung und Durst.
Ich sah auf die Uhr. Siebenundzwanzig Minuten waren verstrichen, seit ich die Jodtabletten in die Flasche hatte fallen lassen. Normalerweise hatte ich abends Hunger, aber der Gedanke an Essen ließ mich jetzt kalt. Ich wollte nur trinken.
Ich setzte mich auf meine blaue Plane und trank zuerst die eine, dann die andere Flasche aus. Das warme Wasser schmeckte nach Eisen und Schlamm, und doch habe ich selten etwas so Köstliches getrunken. Ich spürte, wie es in mich hineinlief, doch selbst nach den zwei Litern war ich noch nicht ganz wiederhergestellt. Ich war immer noch nicht hungrig. Ich fühlte mich genauso wie in den ersten Tagen auf dem Trail, als ich so wahnsinnig erschöpft war, dass mein Körper nur schlafen wollte und sonst nichts. Jetzt wollte mein Körper nur Wasser und sonst nichts. Ich füllte die Flaschen ein zweites Mal, desinfizierte das Wasser mit Jod und trank beide leer.
Es war dunkel, als mein Durst endlich gelöscht war, und ein Vollmond ging auf. Ich brachte nicht die Energie auf, das Zelt aufzubauen – eine Aufgabe, für die ich sonst kaum zwei Minuten brauchte, die mir jetzt aber wie eine Herkulesarbeit vorkam. Ich brauchte kein Zelt. Seit meinen ersten Tagen auf dem Trail hatte es nicht mehr geregnet. Ich zog mich wieder an und breitete den Schlafsack über die Plane, aber es war immer noch so heiß, dass ich mich nur obendrauf legte. Zum Lesen war ich zu müde. Selbst den Mond anzuschauen strengte mich an. Ich hatte vier Liter von dem fragwürdigen
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