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Der große Trip: Tausend Meilen durch die Wildnis zu mir selbst (German Edition)

Der große Trip: Tausend Meilen durch die Wildnis zu mir selbst (German Edition)

Titel: Der große Trip: Tausend Meilen durch die Wildnis zu mir selbst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cheryl Strayed
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Wasser getrunken und trotzdem in den letzten Stunden kein einziges Mal pinkeln müssen. Es war eine unfassbare Dummheit gewesen, mich mit so wenig Wasser an die Überquerung der Hat Creek Rim zu machen. Ich werde nie wieder so leichtsinnig sein, gelobte ich dem Mond, bevor ich einschlief.
    Zwei Stunden später erwachte ich von dem vage angenehmen Gefühl, dass kleine kühle Hände mich betätschelten. An den nackten Beinen und Armen, im Gesicht und am Kopf, an den Füßen, am Hals und an den Händen. Ich spürte ihre Kühle auch durch mein T-Shirt auf der Brust und dem Bauch. »Hmmm«, stöhnte ich und drehte mich leicht auf die Seite, ehe ich die Augen öffnete und wie im Zeitlupentempo eine Reihe von Tatsachen registrierte.
    Zum Beispiel, dass der Mond schien und dass ich unter freiem Himmel auf meiner Plane schlief.
    Dann, dass ich von dem Gefühl aufgewacht war, kleine kühle Hände würden mich betätscheln, und weiter, dass mich tatsächlich kleine kühle Hände betätschelten.
    Und schließlich die Tatsache, die auf mich einen noch gewaltigeren Eindruck machte als der Mond, nämlich dass diese kleinen kühlen Hände gar keine Hände waren, sondern Hunderte von kleinen, kühlen, schwarzen Fröschen.
    Kleine, kühle, schleimige, schwarze Frösche, die über mich hinweghüpften.
    Jeder ungefähr so groß wie ein Kartoffelchip.
    Sie bildeten eine Amphibienarmee, ein Heer von feuchtkalten Glatthäutern, einen großen Wanderungszug von Schwimmfüßlern, und ich lag ihnen im Weg, als sie ihre kleinen, pummeligen, mit Knickbeinen versehenen Leiber kriechend, hüpfend und springend aus dem Tümpel auf den Dreckstreifen beförderten, den sie zweifellos als ihren Privatstrand betrachteten.
    Im Nu war ich auf den Beinen, hüpfte zwischen ihnen umher, warf Rucksack, Plane und alles, was darauf lag, in das Gestrüpp hinter dem Ufer und mich selbst hinterher, nachdem ich Frösche aus meinen Haaren und den Falten meines T-Shirts geschlagen und unabsichtlich ein paar unter meinen nackten Füßen zerquetscht hatte. Endlich in Sicherheit, stand ich da und betrachtete aus der froschfreien Randzone das Gewimmel der kleinen dunklen Leiber im hellen Mondschein. Ich untersuchte die Taschen meiner Shorts nach verirrten Fröschen. Ich trug meine Sachen zu einer kleinen freien Stelle, die mir eben genug erschien, und zog das Zelt aus dem Rucksack. Ein paar Handgriffe, und das Zelt stand.
    Um halb neun am anderen Morgen kroch ich daraus hervor. Halb neun war spät für mich, wie Mittag in meinem früheren Leben. Und ich fühlte mich auch so. Als hätte ich bis in die Puppen in der Kneipe gehockt. Ich stand wackelig da und sah mich um. Ich musste immer noch nicht pinkeln. Ich packte zusammen, pumpte noch mehr schmutziges Wasser und wanderte unter sengender Sonne weiter nach Norden. Es war noch heißer als am Vortag. Keine Stunde später trat ich beinahe wieder auf eine Klapperschlange, obwohl auch sie mich höflich mit ihrer Rassel gewarnt hatte.
    Am späten Nachmittag war jede Hoffnung dahin, trotz der brennenden Blasen an meinen Füßen und der drückenden Hitze noch bis zum Abend die gesamte Strecke bis zum McArthur-Burney Falls Memorial State Park zu schaffen. Ich war einfach zu spät aufgebrochen. Stattdessen verließ ich den Trail und machte einen kleinen Abstecher nach Cassel, wo es laut Wanderführer einen Gemischtwarenladen gab. Kurz vor drei war ich dort. Ich nahm meinen Rucksack ab und setzte mich, wie apathisch von der Hitze, auf einen Holzstuhl auf der altmodischen Veranda des Ladens. Das große Thermometer im Schatten zeigte neununddreißig Grad. Ich zählte mein Geld, den Tränen nahe, da ich wusste, dass es auf keinen Fall für eine Snapple-Limonade reichen würde. Mein Verlangen danach war mittlerweile ins Unermessliche gestiegen.Eine Flasche kostete wahrscheinlich 99 Cent, vielleicht auch 1,05 oder 1,15 Dollar – ich wusste es nicht genau. Ich wusste nur, dass ich lediglich 76 Cent hatte und dass das nicht reichen würde. Ich ging trotzdem in den Laden, nur um zu schauen.
    »Sie sind eine PCT-Hikerin?«, fragte die Frau hinter der Theke.
    »Ja«, antwortete ich und lächelte sie an.
    »Wo sind Sie her?«
    »Aus Minnesota«, rief ich, während ich an einer ganzen Batterie von Glastüren entlangging, hinter denen in sauberen Reihen eisgekühlte Getränke in Dosen und Flaschen standen. Bier und Limonade, Mineralwasser und Fruchtsäfte. Vor dem Kühlregal mit Snapple-Limonade blieb ich stehen. Ich legte meine Hand auf die

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