Der große Trip: Tausend Meilen durch die Wildnis zu mir selbst (German Edition)
von grünen Baumgruppen, umgaben. Ein leichtes Unbehagen beschlich mich. Als ich am Abend zu Stacy und Rex aufschloss, war ich mehr als nur ein wenig erleichtert. Ich war stundenlang furchtbar schreckhaft gewesen und beim kleinsten Knacken im Gestrüpp zusammengezuckt, und wenn mal längere Zeit völlige Stille geherrscht hatte, wäre ich fast durchgedreht.
»Wie geht es deinen Füßen?«, fragte Stacy, als ich mein Zelt neben ihrem aufbaute. Als Antwort setzte ich mich auf den Boden, zog die Stiefel aus und zeigte sie ihr.
»Mist!«, zischte sie. »Das sieht schmerzhaft aus.«
»Wisst ihr, was ich gestern in dem Laden gehört habe?«, fragte Rex. Er war von den Anstrengungen des Tages noch ganz rot im Gesicht und rührte in einem Topf, der auf seinem Kocher stand. »Anscheinend ist heute am Toad Lake eine Veranstaltung namens Rainbow Gathering.«
»Am Toad Lake?«, fragte ich und musste plötzlich an die Frau denken, die ich auf der Toilette des Busbahnhofs in Reno getroffen hatte. Sie war auf dem Weg dorthin gewesen.
»Ja«, sagte Rex. »Das ist nur knapp einen Kilometer vom Trail entfernt, etwa vierzehn Kilometer voraus. Ich finde, da sollten wir hingehen.«
Ich klatschte vor Freude in die Hände.
»Was ist denn das Rainbow Gathering?«, fragte Stacy.
Ich erklärte es ihnen beim Essen. Das Rainbow Gathering wird von der Rainbow Family of Living Light organisiert, einem losen Verbund von Alternativen, Ökos, Aktivisten und Aussteigern, die für gemeinsame Werte wie Frieden und Liebe eintreten. Jeden Sommer errichtet die Regenbogenfamilie irgendwo draußen in der Natur ein Lager, das den ganzen Sommer über bestehen bleibt, aber in der Woche um den vierten Juli Tausende anzieht, wenn die Festivitäten ihren Höhepunkt erreichen.
»Dann gibt es Trommel-Jamsessions, große Lagerfeuer und Feste«, erklärte ich Rex und Stacy. »Aber das Beste von allem sind die tollen Küchen, in denen Leute unter freiem Himmel Brote backen und Eintöpfe, Gemüse- und Reisgerichte kochen. Alles Mögliche, und jeder kann einfach hingehen und mitessen.«
»Jeder?«, fragte Rex mit gequälter Stimme.
»Ja«, antwortete ich. »Du musst nur einen eigenen Teller und Löffel mitbringen.«
Während wir uns unterhielten, beschloss ich, ein paar Tage beim Rainbow Gathering zu bleiben und auf meinen Zeitplan zu pfeifen. Ich musste meine Füße ausheilen, wieder einen klaren Kopf bekommen und dieses in mir wachsende gruselige Gefühl loswerden, ich könnte von einem mythischen Affenmenschen entführt werden.
Und vielleicht, nur vielleicht, könnte ich mich auch von einem scharfen Hippie flachlegen lassen.
Später, in meinem Zelt, stöberte ich in meinem Rucksack und fand das Kondom, das ich die ganze Zeit mitgeschleppt und als einziges gerettet hatte, als Albert in Kennedy Meadows meinen Rucksack entrümpelte. Es steckte immer noch in seiner kleinen, weißen Verpackung. Ich fand, es war höchste Zeit, das zu ändern. In den sechs Wochen, die ich auf dem Trail war, hatte ich noch nicht einmal masturbiert, da ich abends zu kaputt war, um etwas anderes zu tun, als zu lesen, und zu abgestoßen von meinem eigenen Schweißgestank, um an etwas anderes als ans Schlafen zu denken.
Am nächsten Tag wanderte ich zügiger denn je, zuckte aber bei jedem Schritt vor Schmerz zusammen. Der Pfad verlief achterbahnmäßig in einer Höhe zwischen 1980 und 2200 Meter und bot herrliche Ausblicke auf unberührte Bergseen unterhalb des Trails und endlose Berge in der näheren und weiteren Umgebung. Es war Mittag, als wir den schmalen Pfad hinabstiegen, der vom PCT zum Toad Lake führte.
»Nach besonders viel sieht mir das aber nicht aus«, bemerkte Rex, als wir auf den hundert Meter unter uns liegenden See blickten.
»Er sieht aus wie jeder andere«, sagte ich. Da war nur der See, umgeben von zotteligen Kiefern, mit dem Mount Shasta im Osten – seit der Hat Creek Rim hatte ich den schneebedeckten Viertausender immer im Norden gesehen, und jetzt wanderte ich endlich an ihm vorbei.
»Vielleicht ist die Versammlung nicht direkt am Wasser«, sagte Stacy, doch als wir das Ufer des Sees erreichten, war klar, dass dort kein fröhliches Lagerleben herrschte, kein Gewimmel von jammenden, tanzenden und deftige Eintöpfe kochenden Leuten. Keine Spur von dunklen Broten und sexy Hippies.
Das Rainbow Gathering war ein Reinfall.
Deprimiert machten wir am See Rast und aßen die fade Kost, die wir immer aßen. Anschließend ging Rex schwimmen, und Stacy und ich
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