Der große Trip: Tausend Meilen durch die Wildnis zu mir selbst (German Edition)
Frauenstimme, und ich schaute auf. Sarah, eine der Frauen von den beiden Pärchen, die ich bei den Burney Falls kennengelernt hatte, stand vor mir, ohne Rucksack. »Was machst du denn hier?«, fragte sie.
»Und was machst du hier?«, fragte ich zurück. Ich hatte angenommen, sie wäre hinter mir auf dem Trail.
»Wir haben uns verlaufen. Am Ende sind wir auf dem Highway gelandet und hierhergetrampt.«
»Ich auch!«, sagte ich überrascht und erleichtert. Ich war also nicht die Einzige, die das Kunststück fertiggebracht hatte, vom Trail abzukommen.
»Alle haben sich verlaufen. Komm«, sagte sie und deutete auf den Eingang des Restaurants am Ende des Gebäudes. »Wir sind alle da drin.«
»Ich komme gleich nach«, sagte ich. Als sie fort war, nahm ich meine neuen Stiefel aus dem Karton, pellte zum letzten Mal meine Klebebandschuhe ab und warf sie in einen Mülleimer neben mir. Dann öffnete ich das Versorgungspaket, nahm ein frisches Paar sauberer, noch nie getragener Socken heraus, streifte sie mir über die schmutzigen Füße und schnürte die Stiefel. Sie waren tadellos sauber. Ich ging auf dem Parkplatz damit auf und ab. In ihrer Vollkommenheit kamen sie mir fast wie ein Kunstwerk vor. Das herrlich jungfräuliche Profil, die glänzenden Kappen. Sie waren noch etwas steif, aber die Weite stimmte. Ich war überzeugt, dass ich mit ihnen zurechtkommen würde, allerdings stimmte mich der Umstand bedenklich, dass ich sie auf dem Trail würde einlaufen müssen. Aber daran war nichts zu ändern. Ich konnte nur das Beste hoffen.
»Cheryl!«, rief Rex, als ich das Restaurant betrat. Bei ihm saßen Stacy, Sam, Helen, John und, natürlich, Sarah. Mit den sechsen war das kleine Restaurant praktisch voll.
»Willkommen im Paradies«, sagte John und schwenkte eine Flasche Bier.
Wir aßen Cheeseburger und Fritten, und anschließend gingen wir bestens gelaunt durch den Mini-Markt, luden uns die Arme mit Chips, Keksen, Bier und Anderthalb-Liter-Flaschen billigem Rotwein voll und warfen beim Bezahlen unser Geld zusammen. Dann marschierten wir fröhlich den Hügel hinauf zum State-Park-Campingplatz und stellten im gebührenfreien Bereich in einem kleinen Kreis unsere Zelte auf. Den Abend verbrachten wir am Picknicktisch, lachten und erzählten Geschichten, bis die Dämmerung hereinbrach. Irgendwann tauchten zwei Schwarzbären – die wirklich schwarz aussahen – unter den Bäumen auf, die unseren Lagerplatz umgaben. Sie zeigten nur wenig Scheu vor uns, als wir sie anbrüllten, sie sollten verschwinden.
Im Verlauf des Abends füllte ich mir den kleinen Pappbecher, den ich aus dem Laden mitgenommen hatte, immer wieder mit Wein und süffelte vor mich hin, als wäre er Wasser, bis er für mich tatsächlich wie Wasser schmeckte. Ich fühlte mich überhaupt nicht so, als wäre ich an diesem Tag bei Temperaturen zwischen dreißig und vierzig Grad mit einem Rucksack auf dem Rücken und Klebebandwickeln an den Füßen siebenundzwanzig Kilometer gewandert. Eher so, als wäre ich geschwebt. Als wäre der Picknicktisch der schönste Platz auf der Welt und als könnte es keinen schöneren geben. Ich merkte nicht, dass ich betrunken war, bis wir beschlossen, schlafen zu gehen, und ich aufstand und dabei feststellte, dass ich das Stehen verlernt hatte. Im nächsten Augenblick war ich auf allen vieren und erbrach mich mitten auf unseren Lagerplatz. Ich hatte in meinem Leben schon viel Mist gebaut, aber ich hatte noch nie so viel Alkohol getrunken, dass mir davon schlecht geworden war. Als ich fertig war, stellte Stacy eine Wasserflasche neben mich und raunte mir zu, dass ich trinken müsse. Das reale Ich in dem Alkoholnebel, der ich geworden war, begriff, dass sie recht hatte. Ich war nämlich nicht nur betrunken, sondern auch schwer dehydriert. Seit dem Nachmittag auf dem heißen Trail hatte ich keinen einzigen Schluck Wasser mehr zu mir genommen. Ich zwang mich, mich aufzusetzen und zu trinken.
Nach dem ersten Schluck musste ich mich sofort wieder übergeben.
Am Morgen stand ich vor den anderen auf und beseitigte das Erbrochene so gut es ging mit einem Tannenzweig. Dann ging ich zu den Waschräumen, zog die schmutzigen Kleider aus und stellte mich in einer Betonkabine unter die heiße Dusche. Ich fühlte mich wie durch die Mangel gedreht. Aber für das Auskurieren eines Katers hatte ich keine Zeit. Bis spätestens Mittag wollte ich wieder auf dem Trail sein. Ich zog mich an, kehrte ins Lager zurück, setzte mich an den Tisch, trank so
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