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Der große Trip: Tausend Meilen durch die Wildnis zu mir selbst (German Edition)

Der große Trip: Tausend Meilen durch die Wildnis zu mir selbst (German Edition)

Titel: Der große Trip: Tausend Meilen durch die Wildnis zu mir selbst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cheryl Strayed
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marschierten ohne Rucksäcke den steilen Pfad zu einer Jeep-Piste hinunter, die im Wanderführer erwähnt war. Obwohl alles dagegensprach, hatten wir die Hoffnung, das Rainbow Gathering zu finden, noch nicht ganz aufgegeben, doch als wir zehn Minuten später auf der unbefestigten, holprigen Straße standen, war da nichts. Kein Mensch. Nur Bäume, Erde, Felsen und Gras, so wie immer.
    »Wir sind wohl einer Fehlinformation aufgesessen«, sagte Stacy mit einem Blick in die Runde und dem gleichen Frust in der Stimme, den ich in mir aufsteigen fühlte.
    Meine Enttäuschung war riesig und kindisch, und ich stand kurz vor einem Wutanfall, wie ich ihn als Dreijährige zuletzt gehabt hatte. Ich ging zu einem großen flachen Felsblock neben der Straße, legte mich darauf und schloss die Augen, damit ich diese bescheuerte Welt nicht mehr zu sehen brauchte, denn ich wollte nicht ausgerechnet hier zum ersten Mal auf dem Trail in Tränen ausbrechen. Der Felsen war warm und glatt und breit wie ein Tisch. Es tat unglaublich gut, darauf zu liegen.
    »Warte mal«, sagte Stacy nach einer Weile. »Ich glaube, ich habe was gehört.«
    Ich öffnete die Augen und lauschte. »Wahrscheinlich nur der Wind«, sagte ich, da ich nichts hörte.
    »Wahrscheinlich.« Sie sah mich an, und wir tauschten ein mattes Lächeln. Sie trug einen Sonnenhut, der unter dem Kinn festgebunden war, Shorts und Gamaschen, die ihr bis zu den Knien reichten, eine Aufmachung, in der sie mir immer wie eine Pfadfinderin vorkam. Als ich sie kennenlernte, war ich etwas enttäuscht von ihr gewesen, weil sie nicht mehr von meinen Freundinnen und mir an sich hatte. Sie war ruhiger, nicht so emotional, nicht so feministisch, weniger an Kunst und Politik interessiert, normaler eben. Wären wir uns woanders als auf dem Trail begegnet, weiß ich nicht, ob wir uns angefreundet hätten, aber mittlerweile hatte ich sie aufrichtig ins Herz geschlossen.
    »Ich höre es schon wieder«, sagte sie und spähte die Straße entlang.
    Ich stand auf, als ein kleiner, verbeulter Pick-up voller Leute um die Ecke bog. Mit Oregoner Nummernschild. Er fuhr direkt auf uns zu und kam ein paar Meter vor uns quietschend zum Stehen. Noch bevor der Fahrer den Motor abgestellt hatte, begannen die sieben Insassen und zwei Hunde, aus dem Wagen zu springen. Ein bunt gemischter Haufen von schmuddeligen Leuten in typischen Hippie-Klamotten, die so aussahen, als könnten sie zur Regenbogenfamilie gehören. Selbst die Hunde waren dezent mit Bandanas und Perlen aufgepeppt. Ich strich über ihre pelzigen Rücken, als sie an mir vorbei auf die Wiese flitzten.
    »Hey«, begrüßten Stacy und ich wie aus einem Mund die vier Männer und drei Frauen, obwohl sie uns nur beleidigt anglotzten und blinzelten, als wären sie gerade einer Höhle und nicht einem Pick-up entstiegen. Sie sahen aus, als hätten sie die Nacht durchgemacht oder kämen gerade von einem Trip herunter oder beides.
    »Ist hier das Rainbow Gathering?«, fragte der Mann, der am Steuer gesessen hatte. Er war braungebrannt und schmächtig. Ein merkwürdig schäbiges weißes Stirnband bedeckte einen Großteil seines Kopfes und verhinderte, dass ihm die langen, welligen Haare ins Gesicht fielen.
    »Die suchen wir auch, aber wir sind hier die Einzigen«, antwortete ich.
    »Ach, du heilige Scheiße!«, stöhnte eine blasse Frau mit bauchfreier, knochiger Taille und diversen keltischen Tattoos. Sie sah aus wie eine Pennerin. »Dann sind wir also den ganzen Weg von Ashland hierher umsonst gefahren?« Sie schleppte sich zu dem Felsblock, den ich gerade geräumt hatte, und legte sich hin. »Ich sterbe vor Hunger.«
    »Ich auch«, jammerte eine andere von den Frauen – eine kleine Schwarzhaarige, die einen Flechtgürtel mit silbernen Glöckchen daran trug. Sie ging zu der Pennerin und streichelte ihr den Kopf.
    »Scheiß Focalizer !«, brüllte der Stirnbandträger und meinte damit die Organisatoren des Gatherings.
    »Das kannst du laut sagen«, grummelte ein Typ mit grüner Irokesentolle und einem silbernen Nasenring, wie man sie gelegentlich bei Stieren sieht.
    »Wisst ihr, was ich jetzt mache?«, fragte der Stirnbandträger. »Ich veranstalte meine eigene Fete oben am Crater Lake. Ich lass mir doch von diesen bescheuerten Focalizern nicht vorschreiben, wo ich hingehe. Ich kann hier in der Gegend einiges losmachen.«
    »Wie weit ist es denn bis zum Crater Lake?«, fragte die letzte der Frauen mit australischem Akzent. Sie war groß, schön und blond, alles an

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