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Der große Trip: Tausend Meilen durch die Wildnis zu mir selbst (German Edition)

Der große Trip: Tausend Meilen durch die Wildnis zu mir selbst (German Edition)

Titel: Der große Trip: Tausend Meilen durch die Wildnis zu mir selbst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cheryl Strayed
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versehen, und unter größten Mühen versuchte ich, sie neben Fototasche, Sandalen, Isolierbecher und Kerzenlaterne auf die Spanngummis zu fädeln, bis ich so genervt war, dass ich den Isolierbecher herauszog und quer durchs Zimmer schleuderte.
    Als schließlich alles, was ich tragen sollte, an seinem Platz war, überkam mich Ruhe. Ich war startklar. Ich zog meine Armbanduhr an, hängte mir das rosa Neoprenband mit meiner Sonnenbrille um den Hals, setzte meinen Hut auf und betrachtete den Rucksack. Er wirkte riesig und kompakt zugleich, leidlich ansehnlich und auf einschüchternde Weise sich selbst genügend. Er hatte fast etwas Lebendiges. In seiner Gesellschaft fühlte ich mich nicht mehr ganz so allein. Aufrecht stehend reichte er mir bis zur Taille. Ich bückte mich, um ihn hochzuheben.
    Er rührte sich nicht.
    Ich ging in die Hocke, packte den Rahmen fester und unternahm einen zweiten Versuch. Er rührte sich immer noch nicht. Keinen Zentimeter. Ich stemmte die Beine fest gegen den Boden, umschlang ihn mit beiden Armen und versuchte, ihn unter Aufbietung aller Muskel- und Willenskraft hochzuheben. Doch er wollte einfach nicht. Genauso gut hätte ich versuchen können, einen VW Käfer hochzuheben. Es sah so süß aus, absolut damit einverstanden, hochgehoben zu werden – und doch war es mir unmöglich.
    Ich setzte mich neben ihn auf den Fußboden und sann über meine Lage nach. Wie sollte ich einen Rucksack mehr als anderthalbtausend Kilometer weit durch zerklüftete Gebirge und wasserlose Wüsten tragen, wenn ich nicht einmal imstande war, ihn in einem klimatisierten Motelzimmer einen Zentimeter von der Stelle zu bewegen? Die Vorstellung war grotesk, und doch musste ich diesen Rucksack hochheben. Dass mir dazu die Kraft fehlen könnte, wäre mir nie in den Sinn gekommen. Ich war wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass, wenn ich alles, was ich zum Wandern brauchte, zusammenpackte, ein Gewicht herauskam, das ich tragen konnte. Sicher, die Leute bei REI hatten bei ihren Monologen recht häufig das Thema Gewicht angesprochen, aber ich hatte dem keine große Beachtung geschenkt. In meinen Augen gab es Wichtigeres zu bedenken. Wie zum Beispiel, ob die Gesichtsabdeckung des Schlafsacks bei zugezogener Kapuze das Atmen behinderte.
    Ich überlegte, was ich aus dem Rucksack herausnehmen könnte, aber jedes Teil erschien mir so zwingend erforderlich oder im Notfall so unverzichtbar, dass ich davor zurückscheute. Ich musste versuchen, den Rucksack so zu tragen, wie er war.
    Ich rutschte über den Teppich, drückte meinen Hintern gegen den Rucksack, steckte die Arme durch die Schultergurte und schnallte mir den Brustgurt um. Dann holte ich tief Luft, wippte, um Schwung zu holen, mit dem Oberkörper vor und zurück und warf mich dann mit aller Macht nach vorn auf alle viere. Der Rucksack stand nicht mehr auf dem Boden. Er war mir nun offiziell umgeschnallt. Er kam mir immer noch wie ein VW Käfer vor, allerdings wie ein VW Käfer, der auf meinem Rücken geparkt war. Ich verharrte eine Weile in dieser Position und kämpfte mit dem Gleichgewicht. Dann zog ich langsam die Füße unter meinen Körper und hangelte mich gleichzeitig mit den Händen an dem Raumkühler hoch, bis ich so weit in der Vertikalen war, dass ich mich nach oben drücken konnte. Der Rahmen des Rucksacks gab einen Klagelaut von sich. Auch er stöhnte offensichtlich unter der gewaltigen Last. Als ich endlich stand – oder vielmehr meinen Körper in eine halbwegs aufrechte Position gebracht hatte –, hielt ich die Blechblende mit den Luftschlitzen in den Händen. Ich hatte sie versehentlich aus dem Raumkühler gerissen.
    Sie wieder einzusetzen war mir unmöglich. Die Stelle, wo sie hinmusste, befand sich nur Zentimeter außerhalb meiner Reichweite, aber diese Zentimeter waren ein paar zu viel. Ich lehnte die Blende an die Wand, schnallte den Hüftgurt fest und taumelte durchs Zimmer, wobei mein Schwerpunkt in jede Richtung gezogen wurde, in die ich mich neigte. Das Gewicht schnitt schmerzhaft in meine Schultern, deshalb zog ich, um die Last besser auszubalancieren, den Hüftgurt immer straffer und straffer um meinen Bauch, bis auf beiden Seiten mein Fleisch hervorquoll. Dabei stieg mein Rucksack hinter mir immer höher empor, bis er meinen Kopf um etliche Zentimeter überragte und mich bis runter zum Steißbein wie ein Schraubstock zusammenquetschte. Ich fühlte mich ziemlich schrecklich, aber vielleicht fühlte man sich als Backpacker eben so.
    Ich

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