Der große Trip: Tausend Meilen durch die Wildnis zu mir selbst (German Edition)
fand.
»Wir machen uns jetzt wieder auf den Weg nach oben«, sagte Doug, und unsere Blicke trafen sich. Ich hatte ein beklemmendes Gefühl in der Brust, als ich ihn und Tom zum Abschied umarmte. Ich hatte sie irgendwie lieb gewonnen, vor allem aber machte ich mir Sorgen um sie.
»Seid ihr sicher, dass ihr hinauf in den Schnee wollt?«, fragte ich.
»Bist du sicher, dass du nicht willst?«, erwiderte Tom.
»Du hast noch den Glücksbringer«, sagte Doug und deutete auf die schwarze Feder, die er mir in Kennedy Meadows geschenkt hatte. Ich hatte sie an den Rahmen des Monsters geklemmt, direkt oberhalb meiner rechten Schulter.
»Als Andenken an euch«, sagte ich, und wir lachten.
Als sie fort waren, machte ich mich mit Greg auf den Weg zu dem Mini-Markt, der auch als örtliche Greyhound-Station diente. Wir kamen an Bars vorbei, die sich als Original-Western-Saloons anpriesen, und an Geschäften, die Cowboyhüte und gerahmte Bilder von Männern, die auf bockenden, halbwilden Pferden ritten, in ihren Schaufenstern ausstellten.
»Haben Sie Entscheidung in der Sierra mit Humphrey Bogart gesehen?«, fragte Greg.
Ich schüttelte den Kopf.
»Der wurde hier gedreht. Und viele andere Filme auch. Western.«
Ich nickte, keineswegs überrascht. Die Landschaft sah tatsächlich aus wie aus einem Hollywood-Film – eine eher karge, mit Salbei bedeckte Hochfläche, felsig und baumlos, mit einem Blick, der kilometerweit reichte. Die weißen Gipfel der Sierra Nevada ragten so dramatisch in den blauen Himmel, dass sie mir beinahe unwirklich vorkamen, wie eine traumhaft schöne Kulisse.
»Das ist unser Bus«, sagte Greg und deutete auf einen großen Greyhound, als wir uns dem Parkplatz vor dem Laden näherten.
Aber er irrte sich. Wie wir erfuhren, gab es keinen Bus, der direkt bis Sierra City fuhr. Wir würden am Abend einen Bus nach Reno, Nevada, nehmen und nach siebenstündiger Fahrt in einen zweiten nach Truckee, Kalifornien, umsteigen müssen, der noch einmal eine Stunde unterwegs war. Von dort aus gab es keine andere Möglichkeit, als die letzten siebzig Kilometer nach Sierra City zu trampen. Wir kauften uns zwei Fahrkarten und einen Arm voll Snacks, setzten uns auf den warmen Bürgersteig neben dem Parkplatz und warteten auf den Bus. Wir verputzten tütenweise Chips und tranken dazu Mineralwasser aus Dosen, während wir uns unterhielten: über den Pacific Crest Trail, über Wanderausrüstung und noch einmal über den Rekordschnee, dann über Theorie und Praxis des von Ray Jardine und seinen Anhängern propagierten Wanderns mit ultraleichtem Gepäck – wer die dahintersteckende Philosophie verstanden hatte und wer nicht – und schließlich über uns selbst. Ich fragte ihn nach seinem Beruf und wie er in Tacoma so lebte. Er hatte keine Haustiere, keine Kinder und eine Freundin, mit der er seit einem Jahr zusammen war und die sich wie er fürs Wandern begeisterte. Er führte, soviel wurde klar, ein geordnetes Leben. Es kam mir langweilig vor und versetzte mich gleichzeitig in Erstaunen. Wie ihm meines vorkam, wusste ich nicht.
Der Greyhound nach Reno war fast leer, als wir einstiegen. Wir gingen bis zur Mitte des Busses und nahmen links und rechts vom Gang zwei Doppelsitze in Beschlag, die einander direkt gegenüber lagen.
»Ich werde jetzt etwas schlafen«, sagte er, sobald der Bus auf den Highway einbog.
»Ich auch«, erwiderte ich, obwohl ich wusste, dass das nicht stimmte. Ich konnte während der Fahrt nie schlafen, egal in welchem Fortbewegungsmittel, nicht einmal wenn ich müde war, und an diesem Abend war ich nicht müde. Ich war zurück in der Welt und deshalb hellwach. Ich schaute aus dem Fenster, während Greg schlief. Niemand, der mich länger als eine Woche kannte, hatte eine Ahnung, wo ich war. Ich bin auf dem Weg nach Reno, Nevada, dachte ich irgendwie verwundert. Ich war noch nie in Reno gewesen. Es erschien mir absurd, dorthin zu fahren, so angezogen und verdreckt, wie ich war, mit Haaren, die aussahen wie eine Filzmatte. Ich kramte alles Geld aus meinen Taschen und zählte im Licht der Stirnlampe die Scheine und Münzen. Ich kam auf lächerliche vierundvierzig Dollar und siebenundfünfzig Cent. Bei dem Anblick wurde mir ganz mulmig zumute. Ich hatte viel mehr ausgegeben als erwartet. Ich hatte weder die Aufenthalte in Ridgecrest und Lone Pine eingeplant noch die Busfahrkarte nach Truckee. Ich würde erst wieder Geld bekommen, wenn ich in etwas mehr als einer Woche in Belden Town mein nächstes
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