Der große Trip: Tausend Meilen durch die Wildnis zu mir selbst (German Edition)
einer Weile sah ich zu meiner Rechten etwas Rotes auftauchen. Geräuschlos trat ein Fuchs auf die Lichtung. Er blickte geradeaus, ohne mich anzusehen, ja, er schien mich nicht einmal bemerkt zu haben, obwohl ich das für ausgeschlossen hielt. Als er vielleicht noch drei, vier Meter von mir entfernt war, blieb er stehen, drehte den Kopf, blickte gelassen in meine Richtung und schnupperte, ohne mir direkt in die Augen zu schauen. Er sah halb wie eine Katze, halb wie ein Hund aus, das Gesicht scharf geschnitten und gedrungen, der Körper angespannt.
Mein Herz raste, aber ich rührte mich nicht und unterdrückte den Drang, aufzuspringen und hinter dem Baum in Deckung zu gehen. Ich wusste nicht, was der Fuchs als Nächstes tun würde. Ich glaubte nicht, dass er mich angreifen wollte, und dennoch hatte ich Angst. Er reichte mir kaum bis zu den Knien, aber er war zweifellos stark und mir offenkundig überlegen. Er konnte jeden Moment über mich herfallen. Dies war seine Welt. Er war sich seiner so sicher wie der Himmel.
»Fuchs«, flüsterte ich so sanft wie möglich, als könnte ich mich dadurch, dass ich ihm einen Namen gab, vor ihm schützen und ihn gleichzeitig näher locken. Er hob den zierlichen roten Kopf, rührte sich aber nicht von der Stelle und musterte mich ein paar Sekunden lang, dann drehte er sich seelenruhig um, trottete weiter quer über die Lichtung und verschwand unter den Bäumen.
»Komm zurück«, rief ich leichtfertig, und dann schrie ich plötzlich: »MOM! MOM! MOM!« Ich wusste vorher nicht, welches Wort mir über die Lippen kommen würde, bis es kam.
Und dann, ebenso plötzlich, verstummte ich wieder, erschöpft.
Am nächsten Morgen stieß ich auf eine Straße. In den vorangegangenen Tagen hatte ich mehrmals schmale, holprige Jeep-Pisten gekreuzt, aber keine war so breit und so eindeutig eine Straße gewesen. Bei dem Anblick fiel ich fast auf die Knie. Die Schönheit der verschneiten Berge war unbestreitbar, aber die Straße, das war meine Welt. Wenn es die war, die ich vermutete, dann war die bloße Tatsache, dass ich sie erreicht hatte, ein Sieg. Denn es bedeutete, dass ich dem PCT gefolgt war. Und dass in beiden Richtungen eine Stadt lag. Ich konnte nach rechts oder links abbiegen, und die Straße würde mich in eine Gegend bringen, in der das Wetter Anfang Juli so war, wie ich es mir vorstellte. Ich nahm den Rucksack ab, setzte mich auf einen Schneehaufen und überlegte, was ich tun sollte. Wenn ich dort war, wo ich vermutete, dann hatte ich in den vier Tagen, seit ich in Sierra City losmarschiert war, neunundsechzig PCT-Kilometer hinter mich gebracht, obwohl die tatsächlich zurückgelegte Strecke wahrscheinlich größer war in Anbetracht meiner Unsicherheiten im Umgang mit Karte und Kompass. Bis Belden Town waren es weitere siebenundachtzig Kilometer, die überwiegend durch Schnee führten. Jeder Gedanke daran war Zeitverschwendung. Ich hatte nur noch Proviant für ein paar Tage im Rucksack. Wäre ich weitermarschiert, wäre er mir ausgegangen. Ich folgte der Straße in Richtung einer Stadt namens Quincy.
Die Straße war wie die Wildnis, die ich in den letzten Tagen durchwandert hatte, still und mit Schnee bedeckt, nur musste ich jetzt nicht alle paar Minuten stehen bleiben und überlegen, welche Richtung ich einzuschlagen hatte. Ich folgte ihr talwärts, bis der Schnee in Matsch überging. Mein Wanderführer gab keine genaue Auskunft, wie weit es bis Quincy war. Er sprach nur von einem »langen Tagesmarsch«. In der Hoffnung, bis zum Abend dort zu sein, legte ich einen Zahn zu. Was ich freilich mit nur sechzig Cent in der Tasche dort anfangen sollte, stand auf einem anderen Blatt.
Gegen elf bog ich um eine Kurve und erblickte einen grünen Geländewagen, der am Straßenrand geparkt war.
»Hallo!«, rief ich, allerdings verhaltener als noch zu den Zeiten, als ich dasselbe Wort in die weiße Einöde gebrüllt hatte. Niemand antwortete. Ich näherte mich dem Wagen und spähte hinein. Ein Sweatshirt mit Kapuze lag auf dem Vordersitz, und auf dem Armaturenbrett stand ein Kaffeebecher aus Pappe zwischen anderen aufregenden Gegenständen, die mich an mein früheres Leben erinnerten. Ich ging weiter. Nach einer halben Stunde hörte ich von hinten ein Auto nahen und drehte mich um.
Es war der grüne Geländewagen. Augenblicke später hielt er neben mir. Ein Mann saß am Steuer und eine Frau auf dem Beifahrersitz.
»Wir fahren zur Packer Lake Lodge, falls Sie mitwollen«, sagte die Frau,
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