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Der Grüne Strahl

Der Grüne Strahl

Titel: Der Grüne Strahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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stehende
    Steinwürfel sind zum Einstecken der Bögen und der Pfähle
    an beiden Enden angebracht. Eine wenige Zoll tief ausge-
    hobene Furche bezeichnet die Grenze jedes Spielplatzes, der
    die für die Operationen der Teilnehmer nötigen 1.200 Qua-
    dratfuß umfaßt.
    Wie viele Male hatten die Brüder Melvill den jungen Leu-
    ten beiderlei Geschlechts etwas neidisch zugesehen, wenn
    sie auf so vorzüglich geeigneten Plätzen spielten, und welch
    große Befriedigung gewährte es ihnen, als Miss Campbell
    ihre Einladung dazu annahm. Sie erhielten dadurch Gele-
    genheit, das junge Mädchen zu zerstreuen, indem sie selbst
    ihr Lieblingsspiel vor einem Kreis von Zuschauern betrie-
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    ben, an denen es ihnen hier ebensowenig fehlen konnte wie
    in Helensburgh. – Die liebe Eitelkeit!
    Der rechtzeitig benachrichtigte Aristobulos Ursiclos
    stimmte zu, seine Arbeiten zu unterbrechen, und fand sich
    zur angesetzten Stunde auf dem Kampfplatz ein. Er erhob
    den Anspruch, im Krocket gleichstark in der Theorie wie in
    der Praxis zu sein, es als Gelehrter, als Geometer, als Phy-
    siker, als Mathematiker, mit einem Wort nach dem Satz
    a + b = c zu spielen, wie es sich für einen solchen x-Kopf
    geziemt.
    Miss Campbell kam es ganz selbstverständlich vor, den
    jungen Pedanten als Partner zu haben. Wie hätte das auch
    anders sein können? Hätte sie ihren Onkeln den Kummer
    bereiten sollen, sie bei diesem Wettkampf zu trennen und
    als Feinde einander gegenüber zu stellen, sie, die ja ganz
    eins waren im Gedanken und im Herzen, nach Körper und
    Geist, sie, die nie anders als miteinander spielten. Nein, das
    hätte sie nicht übers Herz gebracht.
    »Miss Campbell«, sagte da zur Einleitung Aristobulos
    Ursiclos, »ich preise mich glücklich, Ihr Sekundant zu sein,
    und wenn Sie mir gestatten, Ihnen die ausschlaggebenden
    Bedingungen des Schlags auseinanderzusetzen . . .«
    »Mr. Ursiclos«, antwortete Helena, ihn etwas beiseite
    nehmend, »vor allem müssen wir meine Onkel gewinnen
    lassen.«
    »Gewinnen?«
    »Ja, ohne sie die Absicht merken zu lassen.«
    »Aber, Miss Campbell . . .«
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    »Sie würden sich sehr unglücklich fühlen zu verlieren.«
    »Indes . . . erlauben Sie!«, erwiderte Aristobulos Ursiclos,
    »das Krocketspiel ist mir geometrisch bekannt, dafür ver-
    bürge ich mich! Ich habe alle Kombinationen von Linien,
    die Werte der Kurven berechnet, und glaube zu dem Ver-
    langen berechtigt zu sein . . .«
    »Ich kenne kein anderes Verlangen«, unterbrach ihn
    Miss Campbell, »als das, mich meinen Gegnern gefällig zu
    zeigen. Übrigens sind sie sehr stark im Krocket, das sag’ ich
    Ihnen im voraus, und ich glaube kaum, daß all Ihre Gelehr-
    samkeit gegen deren Gewandtheit wird aufkommen kön-
    nen.«
    »Das dürfte sich ja zeigen!« murmelte Aristobulos Ur-
    siclos, den keine Rücksichten bewegen konnten, sich frei-
    willig besiegen zu lassen – nicht einmal Miss Campbell zu
    Gefallen.
    Inzwischen war der Kasten mit den Endpfählen, den
    Losmarken, den Bögen, Kugeln und Schlägeln von dem
    kleinen, für den Croquet Ground bestellten Aufwärter her-
    beigeschafft worden.
    Die neun Bögen wurden in verschobenem Viereck in
    den Bodensteinen befestigt, und die beiden Pfähle erhoben
    sich an den Enden der großen Acht des Vierecks.
    »Losen wir!« rief Bruder Sam.
    Die Marken wurden in einen Hut geworfen. Jeder Teil-
    nehmer entnahm eine.
    Der Zufall bestimmte die folgenden Farben für die Ord-
    nung des Spiels: Eine blaue Kugel und ebensolchen Schlä-
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    gel für Bruder Sam; rote Kugel und Schlägel für Aristobu-
    los Ursiclos; gelbe Kugel und Schlägel für Bruder Sib; grüne
    Kugel und Schlägel für Miss Campbell.
    »In Erwartung eines gewissen Strahls von derselben
    Farbe!« sagte sie. »Das ist von guter Vorbedeutung!«
    Bruder Sam mußte das Spiel eröffnen und er fing denn
    an, nachdem er mit seinem Partner noch eine tüchtige Prise
    genommen hatte.
    Da mußte man ihn sehen, den Körper weder zu gerade,
    noch zu gebeugt, den Kopf halb seitwärts gewendet, um die
    Kugel genau am richtigen Punkt zu treffen; die Hände, eine
    der andern benachbart am Griff des Schlägels, die linke un-
    ten, die rechte oben, die Beine leicht geschlossen, die Knie
    mäßig gebogen, um die Rückwirkung des Schlags besser
    aufzunehmen, den linken Fuß direkt vor der Kugel und den
    rechten ein wenig zurückgezogen – der vollendete Typus ei-
    nes ›Gentleman croqueter‹!
    Dann erhob Bruder Sam den

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