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Der gute Stalin

Der gute Stalin

Titel: Der gute Stalin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Jerofejew
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und salutierten, dass ich eine goldene Uhr besäße, die ich auf der Straße gefunden hätte, und dass Papa in Wirklichkeit wichtiger wäre als der Botschafter Winogradow. Ich erzählte Großmutter, dass man mir in Paris in der Schule solche Aufgaben stellte, dass ich schon lange nachts nicht mehr schlafen würde, dass ich im Sportunterricht wie ein Zirkusartist fünf Mädchen auf meinen Schultern getragen hätte. Sie hörte zu, unter Ohs und Achs, regte sich auf, war besorgt. Manchmal konnte sie nicht anders und nahm mich vor den Eltern in Schutz. Die waren oft entsetzt, versuchten, mich beim Lügen zu ertappen und zu entlarven. Mama und Papa waren schlechte Gesprächspartner. Ich bemühte mich, Papa überhaupt nicht anzulügen, und Mama entlarvte mich immer schnell, ärgerte sich und nannte mich Baron Münchhausen. Sie zog mir die Ohren lang und sagte:
    »Lügen haben kurze Beine.«
    Es war widerlich. Ich weiß nicht mehr, wann ich zu lügen gelernt habe. Ich glaube, ich wurde schon so geboren. Mir gefiel es, wenn die Welt von meinen Fantasien vibrierte. Das Lügen brachte meine Vorstellung von der Welt ins Wanken. Ich sah, dass die Welt sich unter meinen Lügen bog, und ich hörte auf, an ihre Festigkeit zu glauben. Ich fand, dass ohne meine Geschichten die Welt langweilig und flach, vollkommener Unsinn sei. Ich war der Hauptheld meiner Lügen. Aus der Lüge entstand mein Verhältnis zum Wort. Alles Menschliche klang in meinem Ohr anders. Zum Beispiel hörte ich in Krylows Fabel von der Libelle und der Ameise (das war noch in der Kindergruppe bei einem Spaziergang auf der Twerskaja-Straße):
    Von Verzweiflung übermannt,
    Kommt zur Ameis’ Siegerrand
    Und weiter:
    Lass mich, Gevattrin, nicht Imstiche … – hörte ich. Mir schien, das Wort »Imstiche« sei das schönste Wort auf der Welt. Mir gefiel der Siegerrand mehr als Ameise und Libelle. Ich gebe bis heute Siegerrand und Imstiche den Vorzug. Schon in der Schule gefiel mir der Titel des Stückes von Gribojedow, »Verwandtschaftsleiden«. Als ich den richtigen Titel erfuhr, verdross mich seine Banalität.
    *
    Am meisten auf der Welt hasse ich Damenunterwäsche und Spione. Mit Spitzenunterwäsche für Damen habe ich große Probleme. In dem Moment, als mich meine Großmutter, die mich warm halten wollte, mit einem selbst gemachten weißen Leibchen mit riesigen Knöpfen und Gummibändern daran, die meine braunen Strümpfe hielten, in die erste Klasse schickte und ich an einem dunklen Herbstmorgen als junger Moskauer Transvestit mit nacktem Pimmelchen zwischen den weiblichen Accessoires vor dem Spiegel stand, rebellierte meine spontane Männlichkeit. Ich lief mit dem Leibchen herum wie ein Schwein, das geopfert werden soll. Nicht einmal Strumpfhosen kann ich bei Frauen leiden. Frauen, die die Wäschefantasien der Firma »Wilde Orchidee« mögen, akzeptiere ich nicht. Selbst beim Cancan finde ich Höschen abstoßend. Ich hasse schon die Idee des Büstenhalters, der die Brüste einschnürt und auf dem Rücken mit speziellen grässlichen Häkchen geschlossen wird. Ich akzeptiere weder die sportlichen amerikanischen Büstenhalter, die allen Titten im realen Leben wie auch in Hollywood-Filmen den Krieg erklärt haben, noch den Wäscheschnickschnack der Alten Welt. Wenn ich eine Frau in Unterwäsche sehe, wende ich mich ab. Das ist nichts für mich. Dank sei meiner Großmutter – mit dem Geschlechtstrieb treibt man keine Scherze. Ich liebe die Frauen ohne jede Unterwäsche, mit freien Titten.
    Ebenso wenig mag ich Spione. Als eine meiner süßen Moskauer Verehrerinnen mir sagte, sie sehe mich nur in zwei möglichen Hypostasen, entweder als Schriftsteller oder als großen Agenten, antwortete ich: »Meine Liebe, zieh mir bitte kein Leibchen mit Gummibändern an.« Ich mag nicht einmal die ironische Hypostase des James Bond. Seine Feinde sind meine Feinde, aber trotzdem ruft dieser englische Humor bei mir Brechreiz hervor. Der Spion ist der geborene Lügner und Gewalttäter. Ich kann Männer nicht ausstehen, die bei der Arbeit mit ihren Kräften spekulieren. Sie widern mich an. Im Grunde bin ich nicht gegen Vergeltung. Um auf Ehrenburg zurückzukommen, muss ich zugeben, dass ich die Vorstellung von den Juden, die Ende des Krieges die Deutschen in die Gaskammern stecken, und zwar genau im Verhältnis 6000000 : 6000000 , interessant finde. Und die Rote Armee, die alle deutschen Frauen vergewaltigt, ist mir ebenfalls nicht unverständlich. Aber James Bond ist nicht mein

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