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Der Gute Ton 1950

Der Gute Ton 1950

Titel: Der Gute Ton 1950 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans H. Wiese
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adressieren.
    Selbstverständlich ist der Name in schwarz geprägt, denn es handelt
    sich hier ja nicht um Geschäftspapiere.
    BESUCHSKARTEN.
    Das gleiche gilt für die Besuchskarte, auf der aber nicht unbedingt
    nur der Name des Absenders aufgeprägt ist. Sie soll sich jedoch nicht
    zu einem Prospekt entwickeln, das Adelstitel, Universitätsgrade,
    Auszeichnungen und alle jemals innegehabten und ehrenamtlichen
    Funktionen aufzählt. Es gibt Besuchskarten, auf denen nur noch die
    Halsweite und Schuhgrösse fehlen, damit die Erkennungszeichen so
    getreu wie in einem Pass angegeben wären. Wer so viel Eindruck mit
    seiner Besuchskarte machen will, soll das Beispiel jenes Abgeordneten
    der Dritten französischen Republik nachahmen, der sich so viele
    verschiedene Besuchskarten prägen Hess, wie es damals Sitze in der
    Kammer gab; selbstverständlich stand auf den für die Partei der
    äussersten Linken bestimmten Karten kein Adelstitel. Erwähnen Sie
    auf der Besuchskarte so wenig Titel wie möglich! Das beweist Ihre
    Bescheidenheit! Es kann aber auch die Ueberzeugung ausdrücken, dass
    der Name allein genügt, um alle Heldentaten in Erinnerung zu
    bringen. Die Besuchskarte trägt den Namen, dem der Berufstitel
    vorangeht oder die Adelsbezeichnung: Dr. phil. Alfred Schmidt oder
    Graf Orlowski. Kein Herr, kein Fräulein, selbst Frau unterbleibt. In
    Deutschland hat eine Dame das Recht, den Titel ihres Mannes
    anzuwenden, doch sollte sie es auf einer Visitenkarte nie tun. Eine
    verheiratete Frau lässt ihren Vornamen aufdrucken und nicht den ihres
    Mannes, wie es vor dreissig Jahren Mode war. Die Frauenrechtler
    haben gesiegt! Zum Beispiel: Frau Erika Schmidt und nicht: Frau Paul
    Schmidt.
    Wir geben einige Beispiele:
    Dr. Paul Heyse
    Professor für Literatur
    an der Universität Bonn
    oder:
    Maria Müller
    geborene Lehmann
    Frau Maria Müller
    Dr. Gerda Fuchs
    Kinderärztin
    München Bavariaring Telefon 6745
    Für die Kunden:
    Paul Schmidt
    Glasgrosshändler
    Köln Friedrichstrasse 10 Telefon 4035
    Privatkarte:
    Paul Schmidt
    Köln Telefon 2040
    Hansaring
    Regierungsrat Hans Gerhard
    und Frau geb. Müller
    Früher durften eine Dame oder ein junges Mädchen niemals ihre
    Anschrift oder Telefonnummer auf ihrer Visitenkarte angeben. Es
    wurde als zu entgegenkommend angesehen. Heute denkt man anders
    darüber. Man kann die Adresse und Telefonnummer einer Dame
    kennen, ohne dass sie dadurch kompromittiert ist.
    Während man jede Person einzeln, und nicht gesammelt, z. B. als
    Familie soundso vorstellt, kann eine Besuchskarte gemeinsam für
    Herrn und Frau Schmidt gedruckt sein, wenn sie ein Ganzes
    repräsentieren wollen. Der Gebrauch dieser gemeinsamen
    Besuchskarten, ist aber nicht empfehlenswert.
    BRIEF ODER BESUCHSKARTE?
    Es gab ein regelrechtes Gesetzbuch über den Gebrauch der
    Besuchskarte. Traf man bei einem Besuch die Betreffenden nicht an,
    oder wollte man sie nicht sehen, pflegte man eine Besuchskarte in den
    Briefkasten zu werfen. Diese Karte war an einer Ecke links umgebogen,
    oder es waren ein paar geheimnisvolle Buchstaben auf der Karte zu
    lesen (gewöhnlich drei), welche diejenigen, für die die Karte bestimmt
    war, entziffern konnten, wenn sie die Etikette kannten. Die unter die
    Tür gesteckte oder dem Diener abgegebene Karte bedeutete, dass der
    Besuch als gemacht zu gelten hatte, obwohl niemand zuhause war.
    Dieser Besuch musste erwidert werden. Schrieb man die besagten
    Buchstaben hin, so bedeutete dies, dass man gekommen
    war, um über einen Kranken Nachricht zu holen, den man nicht stören
    wollte, um zu gratulieren usw. Man schrieb: p. pr. p. (pour prendre
    conge) wenn man eine Stadt verliess; p. f. (pour feliciter) bei einem
    Glückwunsch, oder p. c. (pour condoler) wenn man Beileid
    aussprechen wollte.

    Heutzutage sind Besuchskarten geeignet um Gratulationen,
    Glückwünsche oder Beileidsbezeugungen auszudrücken oder
    Blumengrüsse zu begleiten. Doch sollten Besuchskarten nicht bei
    anderen Gelegenheiten benutzt werden. Sie sind der unpersönlichste
    Weg des Briefwechsels. Sie müssen auch unpersönlich abgefasst sein,
    in der dritten Person, wie zum Beispiel:
    Paul Schmidt
    gratuliert zum Neuen Jahr
    Man darf aber nicht schreiben:
    Paul Schmidt
    Ich gratuliere zum Neuen Jahr.
    Besuchskarten werden auch nie unterzeichnet. Sie sind nicht als
    kurze Briefe zu benützen. Der Missbrauch der Besuchskarte ist ein
    weiterer Beweis, wie sehr Menschen unserer Zeit einen richtigen Brief
    zu schreiben

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