Der Gute Ton 1950
Eingangsgerichte und 16 Fleischgerichte.
Es folgten:
8 Bratenplatten und 16 verschiedene mit Fleisch garnierte
Gemüseplatten; 8 kalte Fleisch- oder Fischgerichte folgten, zu denen 16
Salatarten gereicht wurden; 24 verschiedene Kuchensorten; 24 Schalen
Obst; 24 Teller voll Süssigkei-ten; Konserven und Konfitüren folgten.
Im 18. Jahrhundert gab Richelieu Prinzen und Prinzessinnen ein
Essen, das besonders originell ist. Es war nur ein Ochse in der
Vorratskammer des Herzogs, daraus stellte Richelieu eine Speisenfolge
zusammen aus:
1 Suppe;
4 Vorspeisen;
1 Eingangsgericht;
6 erste Fleischgänge;
2 Braten — mit Salat;
6 Nachspeisen (aus Fleisch).
Bei einem »historischen Essen« im 19. Jahrhundert und zwar
anlässlich eines Kaisertreffens 1867 in Paris (unter den Gästen sah man
den Zaren von Russland, den Zarewitsch, den späteren Alexander III.
und den König von Preussen, der spätere Kaiser Wilhelm I.). Man
reichte damals den Gästen:
1 Suppe;
4 Releves;
4 Fleischplatten (Entrées);
2 Braten;
4 Gemüsegerichte; süsse Nachspeisen;
7 verschiedene Weine;
und natürlich wurden zu allen diesen Essen — die Stunden dauerten
— die entsprechenden schweren und leichten Weine geboten!
Sie müssen ihren Gästen nicht unbedingt solch ein Menü vorsetzen.
Nur wenige Geldbeutel und nur wenige. Magen würden diesen
Ansturm vertragen!
Das heute übliche Essen besteht aus:
Einer Suppe, einem Vorgericht, dem Braten und der Nachspeise.
Diese Gerichte genügen vollkommen für unsere Zeit und für unseren
Magen. Man kann auf vieles verzichten, aber zu einem richtigen
Abendessen gehören unbedingt warme Gerichte, wobei man nicht
vergessen darf, mit einer kalten Speise zu schliessen. Das ist keine
Laune der Feinschmecker, sondern eine wissenschaftlich erwiesene
Regel. Auch die Wahl der Weine erfordert viel Sorgfalt. Ein Wein und
ein Gericht, die nicht zueinander passen, stören einander. Und ein
Rotwein schmeckt noch einmal so gut, wenn er richtig temperiert ist.
Wir geben zu, dass man in jenen Ländern, in welchen es die besten
Weine und das raffinierteste Essen gibt, vielleicht nicht so lange lebt,
wie in massigeren Ländern. Aber man lebt heiterer.
Und glauben Sie nicht auch, dass die gute Laune Ihrer Gäste wie
auch Ihre eigene eine kleine Anstrengung wert ist?
DAS MITTAGESSEN.
Zum Mittagessen ladet man nur auf dem Lande ein, in der Stadt an
einem Sonntag. So ist es möglich, das Essen solange auszudehnen, wie
es einem gefällt und man kann nach dem Essen einen gemeinsamen
Spaziergang machen. Bei einem gros-sen Mittagessen reicht man
grundsätzlich keine Suppe.
Wir dürfen bei dieser Gelegenheit gerade erwähnen, dass das Suppe-
Reichen bei einem Mittagessen eine ausschliesslich deutsche Sitte ist, es
ist eines der Dinge, an die sich Ausländer bei uns erst gewöhnen
müssen.
Die Hors-d'oeuvre — Vorspeisen — sind das eigentliche
Hauptgericht. Sie sind auf einer Platte schön angerichtet. Man serviert
kein Zwischengericht, sondern gleich kaltes oder gebratenes Fleisch.
Auch Fische können kalt mit Mayonnaise, gegrillt oder gebraten
gereicht werden. Es folgt Kaffee und Likör, der am Tisch getrunken
wird.
Diese Regeln gelten für ein normales Mittagessen. Wenn es sich um
ein Festessen handelt, das eigentlich ein Abendessen ersetzt, wird auch
die Speisefolge eines Abendessens gewählt, nur reicht man Vorspeise
statt Suppe.
DER TISCH:
Der Tisch soll sorgfältig gedeckt sein. Die phantasiereichen Gemüter
ziehen eine magere Kost auf feinem Porzellan und glänzendweissem
Tischtuch einem auserlesenen Gericht vor, das auf einem rissigen
Teller und einem Tischtuch dargeboten wird, das allzu genaue Spuren
früherer Essen trägt. Wollen wir unseren Gästen den Anblick eines
frischen, tadellosen weissen Tischtuches gönnen. Ein farbiges Tischtuch
ist kein Fehlgriff, aber die Wahl der Farbe ist schwer, da ja Tischtuch
und Essservice miteinander harmonieren sollen. Jedenfalls wählt man
kein gestreiftes oder kariertes Tuch, das zu sehr an die Küche erinnert.
Es ist viel einfacher bei einem einfarbigen Tischtuch zu bleiben. Das
Tuch soll auf dem Tisch noch einmal gebügelt werden, damit die
letzten Falten verschwinden. Vor Jahren war es grosse Mode, auf das
Tischtuch zu verzichten und unter den Teller eines jeden Gedeckes ein
kleines Tuch oder eine Serviette zu legen. Etwas altmodische Gastgeber
oder extravagante moderne, tun es auch heute noch so. Diese
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