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Der Gute Ton 1950

Der Gute Ton 1950

Titel: Der Gute Ton 1950 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans H. Wiese
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ruiniert. Derjenige, der bezahlt,
    faltet die Rechnung nicht ganz auseinander, um die Sache nicht zu
    auffallend zu machen. Er ruft auch nicht den Hotelchef, um mit ihm
    über die Richtigkeit der Rechnung zu diskutieren oder ihn darauf
    aufmerksam zu machen, dass die Preise zu hoch sind und dass er sein
    Restaurant nicht mehr betritt. Es gibt auch Gastgeber, die die
    Rechnung zwar nicht entfalten, die aber die Geldscheine einzeln, recht
    langsam, in die Rechnung schieben, damit die Gäste genügend Zeit
    haben, sie zu zählen. Ein gut erzogener Gast wird einen solch taktlosen
    Gastgeber strafen, indem er auffällig aus dem Fenster schaut oder die
    Decke anstarrt bis diese »Operation« beendet ist. Ist die Rechnung
    bezahlt, dann soll der Gastgeber nicht unnötig darüber sprechen. Er
    wird nicht etwa sagen: »Es ist gut hier, aber sehr teuer.« Es ist
    eleganter, seine Gäste zu fragen, wie ihnen das Restaurant gefallen hat
    und nicht das Essen. Er kann dann die Gründe sagen, weshalb er
    gerade dieses Lokal gewählt hat. Wenn etwas in der Bedienung zu
    rügen war, wird er sich entschuldigen, er wird aber weder den Ober
    beschimpfen, noch dem Empfangschef in Gegenwart seiner Gäste seine
    Unzufriedenheit erklären. Die Gäste werden behaupten, nie in ihrem
    Leben ein so gutes Essen gegessen zu haben, — auch wenn sie noch
    hungrig sind, — und dass sie von diesem kleinen Restaurant entzückt
    sind.
    IN EINEM NACHTLOKAL.
    Die Ratschläge sind ungefähr dieselben wie für das Restaurant. Aber
    die Lage des Tisches ist noch viel wichtiger, da gewöhnlich in diesen
    Lokalen kleine Vorstellungen eingeschoben sind. Man soll die
    eingeladene Dame, die gerne tanzt, nicht warten lassen, bis die Herren
    vom Nebentisch es übernehmen, sie aufzufordern. Tanzt man selbst
    nicht, so lädt man auch nicht in ein Tanzlokal ein. Die Amerikaner
    haben einen Grundsatz, den auch wir annehmen sollten. Man sieht in
    einer Gesellschaft stets ebensoviele Herren wie Damen. Es ist jedoch
    schwer, ihre Art nachzuahmen, wie sie die »girls teilen«. Jedes
    Mädchen bekommt seinen Partner für den Abend und sie tanzt fast
    ausschliesslich mit ihm. Das ist typisch amerikanisch; in Europa wäre
    es ungezogen ein junges Mädchen mit Beschlag zu belegen, wenn man
    nicht allein mit ihr ist. Die andern haben auch das Recht, ihre
    Gesellschaft zu geniessen. Es gibt kein Monopol! Den ersten Tanz muss
    man mit der Dame am Tisch tanzen, die man besonders ehren will, wir
    fordern also nicht unsere Frau auf, sondern die Frau unseres Freundes.
    DER ABSCHIED.
    Es gibt Leute, die nie »Auf Wiedersehen« sagen können. Es sind
    dieselben, die Sie auf der Strasse eine Stunde lang aufhalten, auch
    wenn Sie ihnen sofort sagen, dass Sie eine überaus dringende
    Verabredung haben. — Die Gäste haben das Vorrecht »Auf
    Wiedersehen« zu sagen, und natürlich sagt es eine Dame vor dem
    Herrn. Ist ein Ehepaar eingeladen, so wird der Mann warten, bis seine
    Frau Abschied nimmt. Sie wird sich geschickt und graziös halb ihrem
    Mann zuwenden, gleichsam um seine Bestätigung einzuholen. Der
    Ehemann soll dann natürlich nicht behaupten: »Wir haben noch Zeit.«
    Die Gastgeber dürfen ihre Gäste, die sie verlassen wollen, nicht
    anflehen noch zu bleiben, das wäre taktlos. Sie sollen nur ihr Bedauern
    ausdrücken! Sie bringen ihre Gäste im Wagen oder im Taxi nach
    Hause, oder bringen sie wenigstens bis zur nächsten Strassenbahn-
    oder Autobushaltestelle, sie warten bis der Autobus abgefahren ist.
    Eine Dame soll man nachts unbedingt begleiten, da sie sich fürchten
    könnte. Man bringt sie bis zu ihrer Türe. Das heisst, wir brauchen nicht
    zu warten, bis sie das Licht in ihrem Flur angezündet hat.
    X.
    DIE GESCHICHTE EINER
    HÄUSLICHEN EINLADUNG
    Welch' wichtiges Ereignis für eine Hausfrau, unabhängig von der
    Zahl und von der Bedeutung der Geladenen! Wir sagen: für eine
    Hausfrau, weil es einem Junggesellen nicht ansteht, eine Einladung in
    grösserem Rahmen zu geben. Die Voraussetzung ist, dass eine DAME
    empfängt und nicht ein Herr, selbst wenn er der Gastgeber ist. Will ein
    Junggeselle eine grössere Einladung geben, bittet er seine Mutter, seine
    Schwester oder eine nahe Verwandte, die Rolle der Hausfrau zu
    übernehmen — es sei denn, es soll ein Herrenabend oder eine
    »Sauferei« werden. Wirklich grosse Einladungen werden heutzutage
    wohl nur noch selten gegeben, da weder die entsprechenden Räume
    noch das nötige Personal vorhanden ist.
    MITTAG-

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