Der Gute Ton 1950
Art des
Deckens verlangt aber einen sehr schönen, gepflegten Tisch aus
hochpoliertem Holz. Wir müssen nicht besonders erwähnen, dass ein
solcher Tisch nach dem Essen nicht mehr sehr hochglänzend sein wird.
Er wird Spuren tragen, die recht schwer zu beseitigen sind.
Man muss bei Tisch darauf achten, dass jeder Gast genügend
»Bewegungsfreiheit« hat. Es ist wohl richtig, dass Menschen, die sich
zu benehmen verstehen, nicht sehr viel Platz brauchen, um ihre Suppe
zu löffeln oder ihr Beefsteak zu schneiden. Aber die Hausfrau soll
darauf achten, dass ihre Gäste nicht so nahe nebeneinander sitzen, dass
sie ihr Glas oder ihren Teller mit dem Glas oder dem Teller des
Nachbarn verwechseln.
Zu Beginn des Mahles stehen zwei Teller auf dem Tisch; der grössere
dient während des ganzen Essens als Unterteller. Wenn möglich, sollte
man folgende Anordnung machen: rechts vom Teller: Bratenmesser,
Fischmesser (falls notwendig), Vorspeisemesser (falls notwendig),
Suppenlöffel; auf der linken Seite: Vorspeisegabel (das heisst
Frühstücksbesteck), Fischgabel (wenn notwendig), Gabel für den
Braten oder die Eingangsgerichte, oberhalb des Tellers die
Dessertlöffel, die kleinen Gabeln und Messer für den Käse.
Wir betonen, dass es nicht nötig ist, alle Bestecke und Teller schon
vor dem Essen aufzulegen. Sie würden nur unnötig den Tisch beladen;
man kann sie deshalb ruhig erst bringen, wenn die einzelnen Gänge
gereicht werden, für die sie notwendig sind. So ersparen wir auch
unseren Gästen, die vielleicht weniger erfahren sind, den faux-pas, ihre
Vorspeise mit dem grössten Besteck zu essen und später mit
schmutziger Gabel weiterzuessen, wenn beim Abräumen der Teller,
auch das dazu gehörige Besteck weggenommen wird. Natürlich
vergisst man das Fischbesteck nicht, wenn Fisch gereicht wird. Wenn
Sie kein Fischbesteck haben, können Sie es vielleicht bei Freunden
leihen, oder Sie geben zwei Gabeln, nie aber dürfen Sie ein
Fischbesteck einfach durch ein Messer ersetzen. Ihre Freunde sollen
nicht gezwungen werden, einen Fisch mit dem Messer »anzugreifen«.
Für jede Sorte Wein, die getrunken wird, stellen wir ein anderes Glas
auf. Ausserdem noch ein einfaches Glas, falls unsere Gäste Wasser
trinken wollen. Das grösste Glas steht ganz links, je nach ihrer Grösse
folgen die weiteren, die Sektschale oder das Sektglas bildet den
Abschluss. Wenn die Auswahl der Weine sehr üppig ist, stellt man die
vielen Gläser nicht einfach nebeneinander, sondern man lässt die
gerade Linie in einem Dreieck auslaufen. Man setzt die Gläser auch ein
wenig nach rechts, damit die Aermel unserer Gäste nicht die Sauce
trinken, wenn die Hand nach dem Glas greift. Bei den Gläsern verhält
es sich wie bei den Bestecken: man muss nicht unbedingt eine
Gläserausstellung machen, sondern kann die Gläser zugleich mit den
Weinen bringen.
Die Messerbänkchen sind heute ungefähr so vornehm wie die
gehäkelten Deckchen, die man 1900 auf den Sesseln sah. Sie gehören zu
den Dingen, die die Gäste nicht sehen sollten. Sie bleiben lieber in
einem verlorenen Winkel des Büffets neben jenen silbernen Ständern,
die früher einmal die Menu-karte hielten, und auf der der Name eines
jeden Gastes stand. Diese Menukarten kommen heute nur noch bei
Banketten zu Ehren, die Gäste heben sie dann als Erinnerung auf.
Die Blumen im Haus und auf dem Tisch dürfen nicht vergessen
werden, aber man soll den Tisch nicht mit einem übergrossen Korb
überladen, hinter dem die Gäste Versteckspielen können, wenn sie mit
ihren Nachbarn oder mit ihrem Gegenüber sprechen wollen. Es ist
schöner, eine Orchidee oder eine andere zierliche Blüte vor jeden
Teller, neben die Gläser zu stellen, daraus entsteht dann eine Art
Girlande auf dem Tisch. Auch in einer flachen Schale wirken die
Blumen recht gut.
Man faltet heute die Servietten nicht mehr zu Bischofshauben, die
man früher in ein Glas steckte. Sie liegen heute links des Tellers, in
ihrer Falte steckt ein Stück Brot. Die Serviette soll nie auf dem Teller
liegen, selbst nicht bei einem Mittagessen. Bei einem Abendessen wäre
dies ohnehin unmöglich, da die Suppe schon aufgetragen ist, wenn die
Gäste zu Tisch kommen.
BEI KERZENLICHT.
Es ist reizend bei Kerzenlicht zu essen, aber nicht ganz einfach,
besonders wenn es sich um eine grosse Tafelrunde handelt. Jedenfalls
soll das Esszimmer nicht a n einen Park erinnern, wo sich um
Mitternacht Verliebte bei
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