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Der Gute Ton 1950

Der Gute Ton 1950

Titel: Der Gute Ton 1950 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans H. Wiese
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es
    viel diplomatischer machen: Wenn Sie etwas aus der Stadt mitbringen,
    erzählen Sie einfach, dass es eine sehr günstige Gelegenheit war, die Sie
    nicht wollten vorübergehen lassen. Sie werden auf diese Weise das
    Ehrgefühl Ihrer Gastgeber bestimmt nicht verletzen. Es wird auch
    niemanden beleidigen, wenn Sie für die Kinder Süssigkeiten und für
    die Dame des Hauses Pralinen oder Blumen mitbringen. Hier sind
    Blumen nicht gleichsam eine Bezahlung für das Essen, wie es nach
    einer Einladung in der Stadt der Fall wäre.
    Sie werden mit sich zufrieden sein, wenn Sie Ihr Bett selbst auslegen
    und es wieder machen — besonders, wenn es sich um einen weiblichen
    Gast handelt. Man stellt seine Schuhe nicht vor die Türe wie in einem
    Hotel. Wenn kein Personal da ist, fragt man, wo man die Schuhe
    putzen kann. Man sollte es niemals heimlich in dem Schlafzimmer tun.
    Wenn die Abreise gekommen ist, vergisst man das Personal nicht. Hier
    ist ein wesentlicher Unterschied zwischen einer längeren Einladung in
    ein Landhaus und einer Einladung zu einem Mittag- oder Abendessen,
    im letzteren Fall gibt man der Bedienung kein Trinkgeld. Der gute Ton
    schreibt vor, dass man beim Trinkgeldgeben vom Geiz so weit entfernt
    ist wie von der Verschwendung. Um eine Zahl zu nennen: Man gibt
    etwa 12% von dem, was der Aufenthalt in einem Hotel gekostet hätte.
    Wenn man wieder zu Hause ist, vergisst man seine Gastgeber nicht
    bis zu dem Zeitpunkt, wo man sich wieder einladen kann. Man
    schreibt ihnen gleich einen Brief und wäre es nur, um die gute Ankunft
    zu melden. Man dankt ihnen für die schönen Tage, die man bei ihnen
    verbracht hat. Wenn es möglich ist, gibt man seinem Dank Ausdruck,
    indem man eine Gegeneinladung ausspricht. Man kann auch ein
    Geschenk senden, das ihnen Freude machen wird. Man erinnert sich
    sicher irgendeiner Unterhaltung während des Aufenthaltes, in der sie
    etwas erwähnten, was ihnen gefällt. Aber man soll dieses Geschenk nur
    zu irgendeiner Gelegenheit: zu einem Geburtstag, oder einem Feiertag
    übersenden.
    XII.
    DIE AUSLÄNDER. — IM AUSLAND
    Der ist nicht fremd.
    Wer teilzunehmen weiss.
    J. W. Goethe
    DIE AUSLÄNDER.
    Die Zeiten sind vorbei, in denen die Beziehungen mit Ausländern
    den Hoteliers und Milliardären vorbehalten waren. Fusstouren,
    Autostop und Krieg haben uns durch viele Länder geführt, aber man
    muss heute nicht mehr reisen, um Ausländer zu sehen. Ein Kabarettist
    bemerkte einmal: »Es ist erstaunlich, wieviel Ausländer ich gesprochen
    habe, ohne von Hause weggegangen zu sein; wenn ich die kleinste
    Begabung für fremde Sprachen hätte, wäre ich in den letzten 10 Jahren
    ein Sprachwunder geworden«.
    DIE PFLICHTEN DEN AUSLÄNDERN GEGENÜBER.
    Wir haben schon erwähnt, dass ein Ausländer am Tisch den
    Ehrenplatz einnimmt. Man schuldet ihm noch andere Rücksichten,
    aber man darf nicht in einen allzu verbreiteten Fehler verfallen: vor
    ihnen jede eigene Persönlichkeit aufzugeben. Warum wollen wir sie
    nachahmen, und noch dazu die schlechten und nicht die guten Seiten?
    Man ist nicht modern, wenn man das ungenierte Benehmen junger
    Leute nachäfft, die von Uebersee gekommen sind. Diese jungen Leute
    verkörpern nicht das Ideal ihres Landes an Wohlerzogenheit und sie
    werden schliess-lich noch glauben, dass sie die Manieren des guten
    alten Europa haben, wenn sie sich so häufig nachgeahmt sehen. Jetzt,
    da wir mit so vielen Ausländern verkehren, wissen wir, dass der gute
    Ton von Europa nicht in allen Ländern gilt. Das ist aber kein Grund,
    dass wir unsere Sitten durch schlechte fremde Manieren ersetzen. Ein
    Ausländer vertritt für uns gewissermassen den Durchschnittstyp seines
    Landes, wir spielen die gleiche Rolle in seinen Augen. Er wird uns
    mehr schätzen, wenn wir w i r bleiben. Das ist der beste Weg ihm zu
    beweisen, dass unsere Zivilisation doch existiert, auch wenn sie anders
    als die seine ist, aber mindestens ebenso wertvoll ist. Wir müssen ihn
    auf unsere Sitten aufmerksam machen, um ihm Ueberraschungen und
    Verlegenheiten zu ersparen. Wenn er geistig aufgeschlossen ist, wird er
    sicher seinen Aufenthalt im Ausland benutzen wollen, um das neue
    Land und seine Sitten kennenzulernen. Er ist bei uns, um sich mit der
    Landschaft und den fremden Menschen vertraut zu machen; wir
    müssen ihm seine Entdeckungen erleichtern, und versuchen, ihm den
    besten Eindruck von unserem Land zu geben. Wir brauchen ihm nicht
    im ersten Augenblick eine übertriebene Sympathie

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