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Der Gute Ton 1950

Der Gute Ton 1950

Titel: Der Gute Ton 1950 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans H. Wiese
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das Fest am nächsten Morgen in peinlichen
    Unterhaltungen zwischen dem »Ueberrumpelten« und seinem
    Nachbarn oder seiner Wirtin gipfelte. Man überfiel sein Opfer in der
    stillen Hoffnung, es schon im Bett zu finden. Welch ein Vergnügen den
    Aerm-sten zu wecken, ihn aus dem Bett zu zerren und ihm die
    Verheerung seiner Wohnung in Aussicht zu stellen. Dem
    Ueberrumpelten blieb nichts anderes übrig, als alle Foltern zu
    erdulden. Schlechte Laune hätte die Freude der Urheber des Komplotts
    nur noch gesteigert. Man machte soviel Lärm wie möglich, damit die
    Nachbarn sofort wussten, dass man ein Fest feierte. Und natürlich
    machte man umsomehr Lärm als es ja nicht die eigenen, sondern die
    Nachbarn des Opfers waren. Mit Wonne dachten die »Gäste« schon an
    die »Ueberraschungen« des kommenden Morgens. Wenn eine
    »Surprise-party« solche Erfolge hatte, konnte der Abend als gelungen
    bezeichnet werden. Diese Ueberraschungs-effekte sind heute überholt.
    Die Sitte, Gesellschaften zu »organisieren« hat sich bei jungen Leuten
    erhalten, um sich billig zu amüsieren: denn eine Nacht, die nur ein
    oder zwei Flaschen Wein kostet und ein paar Kuchen ist für den
    Einzelnen billig. Die grosse Frage ist der Raum. Man wählt mit
    Vorliebe ein junges Mädchen oder einen jungen Mann, deren Eltern
    verreist sind und die naiv genug sind, ein paar Freunden die Wohnung
    zur Verfügung zu stellen. Dieser »Gastgeber« sollte möglichst einen
    Ueberrumpelungsbesuch noch nicht erlebt haben, denn ein zweites
    Mal gibt wohl niemand sein Einverständnis. Man hatte zwar
    versprochen, sich anständig zu benehmen.
    Ein Freund hat ein Grammophon geliehen, aber man tanzt in solchen
    Fällen nicht nach den Klängen des Grammophons. Junge Leute, die
    sich sonst vielleicht tadellos benehmen, entpuppen sich in dieser
    hemmungslosen Atmosphäre beinahe als un-
    möglich. Niemand wird nachher sagen können, wer z. B. angefangen
    hat, aus den Sesseln Kleinholz zu machen: Wir haben das Beispiel einer
    »Surpriseparty« sehr junger Leute gewählt, aber man soll nicht
    glauben, dass der Unterschied zu einer »Sur-prise-party« reiferer
    Menschen sehr gross wäre. Solche Orgien sind keine gesellschaftliche
    Angelegenheit. Man sollte trotz ihrer Billigkeit auf sie verzichten.
    XI.
    GASTFREUNDSCHAFT
    Wer Gastfreundschaft übt, bewirtet gleichsam Gott selbst.
    Talmud
    Es gibt auch heute Menschen, die in der glücklichen Lage sind, Sie
    für einige Tage in ihr Landhäuschen oder in ihre Stadtwohnung
    einladen zu können, — und es auch tun. Nehmen Sie diese Einladung
    lieber nicht ernst, wenn sie im Laufe einer Unterhaltung gemacht
    wurde, in der Sie und Ihr Gesprächspartner sich mehr oder weniger
    sympathisch waren und sich gegenseitig mehr oder weniger
    »vorgemacht« haben. Warten Sie, bis die Einladung schriftlich
    wiederholt wird und versichern Sie sich auch in diesem Fall, dass Ihre
    Freunde nicht mehr versprechen als sie in Wirklichkeit halten.
    Vielleicht wurde die Einladung nur ausgesprochen um den Brief zu
    füllen, den man Ihnen schreiben musste.
    Es, ist nicht sehr elegant, sich selbst einzuladen, indem man
    Freunden ankündigt, dass sie das Glück haben werden, uns während
    der Ferien in ihrem Dorf zu sehen und indem man gleichzeitig bittet,
    ein Zimmer im besten Hotel zu besorgen. Natürlich weiss man, dass in
    dem Ort gar kein Hotel ist; man hofft ganz einfach auf eine Einladung
    zu einem Ferienaufenthalt. In diesem Fall kann der »Gastgeber« ruhig
    antworten, dass in dem Dorf kein Hotel existiert, ohne den weiteren
    Erwartungen des unverfrorenen Freundes zu entsprechen.
    Wenn Sie glauben, dass Ihr Freund aufrichtig ist, wenn er zu Ihnen
    sagt: »Mein Lieber, wir werden wirklich beleidigt sein, wenn Sie in den
    Ferien anderswo als bei uns wohnen«, dann sollten Sie solch geselligen
    Freunden das Vergnügen Ihrer Gegenwart ruhig machen. Es gibt
    Menschen, die sich alleine langweilen und es gibt Paare, denen die
    Anwesenheit eines Dritten eine Einsamkeit zu Zweien erspart, die sie
    nicht mehr schätzen.
    DIE PFLICHTEN DER GASTGEBER.
    Die Gastgeber sollen sich bemühen, ihren Gästen ein Heim
    anzubieten, das ihnen die grösstmögliche Ruhe und Gemütlichkeit
    gibt. Der Gast soll alles finden, was er zu Hause hatte: man wird sich
    ihm gegenüber so benehmen, als sei er ohne Gepäck angekommen. Er
    wird in dem Schrank Nachtwäsche, Handtücher, Seife, eine neue
    Zahnbürste und Pantoffel finden. Es ist die Pflicht des Gastes, alles

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