Der Gute Ton 1950
selbstverständlich mit
DER GEBURT.
Dies ist ein glückliches Ereignis! — auch wenn die Eltern zuerst nur
an die Kosten denken, die diese Nachkommenschaft verursacht. Sobald
das kleine Kind zur Welt gekommen ist, ist es natürlich das schwerste,
das schönste und das klügste Baby, das es je gab. Sein Wimmern ist
eine Offenbarung und drückt Schönheit, Herz oder Genie aus. Alle
Eltern haben diese Illusion, und die Freunde sollten in dieses Loblied
keinen Missklang bringen; es gibt Träume, die man ausschmücken
sollte.
VOR DER GEBURT.
Wenn man von einigen aussergewöhnlichen Fällen absieht, ist die
Geburt eines Kindes keine vollständige Ueberraschung; Freunde und
Bekannte wissen meist schon ein paar Monate früher darum. Die junge
Frau muss nicht unbedingt jedermann ihre Hoffnung mitteilen, wenn
der Arzt sie noch nicht bestätigt hat. Es wäre aber lächerlich die
Neuigkeit zu verheimlichen, wenn man Freunde trifft und wenn »es«
schon so sichtbar ist, wie die Nase im Gesicht. Eine junge Frau sollte
nicht verlegen sein, dass sie Mutter wird; sie erfüllt eine heilige
Aufgabe. Man muss aber zugeben, dass sie in den letzten Monaten
ihrer Schwangerschaft nicht gerade den für sie vorteilhaftesten Anblick
bietet. Ihr Zustand wird ihr empfehlen, zurückgezogen für sich und
das Kind zu leben. Sie braucht in den Monaten, die dem Ereignis
vorangehen, nicht unbedingt zu beweisen, dass sie sich garnicht
verändert hat, dass sie noch tanzen und sich amüsieren kann, als wäre
sie noch ein junges Mädchen. Wenn es ihr möglich ist, wird sie sich
aufs Land zurückziehen, wo sie die Ruhe findet, die sie in der Stadt
nicht hat. Sie muss in dieser Zeit ihre Kleidung besonders streng
überwachen. Sie soll mehr denn je tadellos angezogen sein.
DIE WAHL DES VORNAMENS.
Kein Arzt kann das Geschlecht eines Kindes im voraus bestimmen,
zumindesten sind die Wege, die dies erlauben, noch nicht allgemein
bekannt. Es hat einmal einen guten Arzt gegeben, der seine Patienten
in dem Glauben Hess, dass er dazu in der Lage sei. Er fragte die Eltern,
ob sie einen Knaben oder ein Mädchen wünschten, und behauptete,
dass ihr Wunsch in Erfüllung ginge. In sein Notizbuch notierte er zur
gleichen Zeit das Gegenteil. Falls ihr Wunsch in Erfüllung gegangen
war, beglückwünschten ihn die Eltern zu seinem Talent. War das
Gegenteil eingetreten, so zeigte er sein Notizbuch vor und erklärte,
dass er wohl das richtige Geschlecht des Kindes im voraus gewusst
hätte, den Eltern aber ihre Illusion nicht hätte rauben wollen.
Man soll beide Vornamen im voraus wählen. Natürlich kann man
auch einen Zwittervornamen bestimmen wie zum Beispiel Toni; aber
unter diesem Irrtum wird das Kind später immer leiden. Man wählt
keinen Namen, weil er einem Onkel oder Vetter gefällt, der selbst von
seinen Eltern einen lächerlichen Vornamen mitbekommen hat und sich
nun bei seinem Patenkind dafür rächt. Vielleicht hat er sich an seinen
Vornamen gewöhnt und erinnert sich nicht mehr an die Zeit, wo alle
Schulkameraden sich über seinen Rufnamen tot gelacht haben. Man
sollte einem Kind diese Art von Demütigungen ersparen. Wählen wir
einfache Vornamen und vermeiden wir die zu anspruchsvoll
»klingenden«, die nur Snobisten gefallen und die bald wieder ausser
Mode sind. Ausländische Vornamen wirken immer ein bisschen
geziert. Häufig gibt man dem ältesten Sohn den Vornamen des Vaters,
das ist aber nicht unbedingt notwendig, und gibt zu
Verwechslungen Anlass. Wanrscheinlich wird für das Kind ein
Kosename erfunden, damit die Mutter den Mann und den Jungen nicht
mit demselben Namen rufen muss. Und diesen oft lächerlichen
Beinamen behält der Sohn, auch wenn er nicht mehr seinem Alter
entspricht. Man kann dem Kind den Namen eines teuren schon
verstorbenen Verwandten geben, oder des Paten, wenn er ,,tragbar« ist.
Aber vergessen wir nicht, dass wir in einem Land wohnen, wo man die
»Meyer« und »Schmidt« numerieren muss und vermeiden wir, dass
wir in unserer eigenen Familie den Vornamen »Hans« numerieren
müssen. Abergläubische Eltern, die das Schicksal ihres Kindes
beeinflussen oder seine wahrscheinliche Berufung vorausahnen wollen,
sollten die Bedeutung der Vornamen kennen.
DIE GEBURTSANZEIGE.
Sie soll die Freude ausdrücken, die das Ereignis uns bringt. Sie kann
ruhig in einer etwas verrückten Form geschrieben sein, auf rosa Papier
für ein Mädchen oder blauen Bogen für einen Jungen. Wenn
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