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Der Gute Ton 1950

Der Gute Ton 1950

Titel: Der Gute Ton 1950 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans H. Wiese
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Freunde werden entweder von den jungen Leuten selbst
    unterrichtet. Sie müssen sich taktvoll benehmen, wenn sie später mit
    dem Ehepaar befreundet bleiben wollen. Die Regeln des guten Tones
    verbieten einem jungen Mann, schlecht über eine Dame zu sprechen,
    auch wenn er gut unterrichtet ist. Man macht auch nicht seinen Freund
    darauf aufmerksam, dass Fräulein X. zur Zeit versucht, nach vielen
    andern, ihn zu einer Ehe zu verführen. Es gibt imrner eingefleischte
    Junggesellen und unglückliche Ehegatten, die überzeugt sind, dass sie
    ihrem Freunde einen Dienst erweisen, wenn sie ihn warnen. Es ist
    klüger, sie schweigen und warten, wie sich die S,ache entwickelt. Wenn
    eine Trennung kommt, kann man immer noch erklären, dass das
    Mädchen gar nicht »zu ihm passte«. Freunde sollen nicht vergessen,
    dass Ratschläge nie eine Heirat verhindern; wenn es zu einer Ehe
    kommt, wird die junge Frau früher oder später die »Warnungen« der
    Freunde erfahren, und das kann nur peinlich für beide Teile sein. Man
    sollte in Liebesangelegenheiten neutral bleiben, weder für noch
    dagegen sein. Wenn Sie die Rolle eines Ehestifters spielen, dürfen Sie
    nie mit Dankbarkeit rechnen. Wenn man eine Ehe zusammengebracht
    hat, ist es besser, sich etwas abseits zu halten, gerade als hätte man eine
    Bombe irgendwo hingelegt. Man soll nicht zu nahe gehen, um die
    Wirkung zu beobachten! Das ist gefährlich! Dieselben Regeln des
    Nichteinmischens gelten für Freunde und Freundinnen des jungen
    Mädchens. Es ist unfair, die Lösung der Verlobung unserer besten
    Freundin zu befürworten, um dann den Verlassenen zu
    »beschlagnahmen«.
    DAS VERLOBUNGSESSEN.
    Man sollte es nur in einem kleinen Kreise feiern und keine
    Bekannten einladen. Es kann immer noch zu einer Entlobung kommen,
    und je weniger lärmend die Verlobung war, desto unbemerkter wird
    der kleine »Unfall« sein. Aus dem gleichen Grund sind unserer
    Meinung nach Verlobungsanzeigen, die man übrigens nur in
    Deutschland kennt, und die Ankündigung in den Zeitungen unklug.
    In fürstlichen Familien wurde dieses Ereignis früher mit allem Prunk
    gefeiert. Die Heirat der Kinder, die man oft schon in der Wiege
    einander versprach, war politisch wichtig, und man musste sie so
    öffentlich wie möglich ankündigen, denn es bedeutete eine Allianz.
    Heutzutage ist die Verlobung nur noch eine persönliche
    Angelegenheit. Man kündet nicht mehr die bevorstehende Verlobung
    an, sondern die Absicht, dass man heiraten will und sich schon verlobt
    hat. Man schreibt es Verwandten und Freunden. Beim
    Verlobungsessen sitzen die Verlobten nebeneinander, ihnen gegenüber
    der Vater des Mädchens mit ihrer Mutter, eingerahmt von dem Vater
    und der Mutter der Verlobten. Bei der Nachspeise erhebt sich der
    Vater, um die Verlobung seiner Tochter anzukündigen; nach der
    Ansprache steckt der Verlobte den Ring an die linke Hand seiner Braut
    (in manchen Gegenden, wird der Verlobungsring rechts und der
    Ehering links getragen). Der junge »Bräutigam« steckt sich selbst
    seinen Ring an. Dann folgt, wie immer in Augenblicken der Rührung,
    ein Trinkspruch. Man hebt sein Glas auf das Wohl des jungen Paares.
    Der erste Toast wird durch den Vater des Mädchens ausgesprochen,
    der zweite durch den Vater des jungen Mannes. Von diesem
    Augenblick anbeginnt.
    DIE VERLOBUNGSZEIT.
    Es gibt Leute, die ein halbes Leben lang verlobt bleiben. Das ist
    unserer Meinung nach zu lange. Es gibt andere, die heiraten, ohne je
    verlobt gewesen zu sein, das ist vielleicht zu kurz. Sie stehen auf dem
    amerikanischen Standpunkt, dass man sich erst kennen lernen kann,
    wenn das gemeinsame Leben angefangen hat, und es besser ist, sich
    sofort ins Wasser zu stürzen; »je schneller man heiratet, desto schneller
    kann man sich scheiden lassen«. Das ist ein seltsamer Standpunkt. Wir
    teilen ihn nicht. Wir denken im Gegenteil, dass eine Verlobungszeit
    unentbehrlich ist, um sich allmählich kennen zu lernen. Man sollte
    allerdings der Verlobung nicht die Bedeutung geben, die man ihr in
    nordischen Ländern zuschreibt. Man kann dort, so hört man, in den
    Zeitungen folgende Anzeige lesen: »Wohnung frei für Verlobte mit
    Kindern«. Selbst ohne so weit zu gehen, erlaubt uns eine
    Verlobungszeit von 3 bis 4 Monaten, die Eigenschaften und auch die
    Fehler des anderen zu entdecken. Es ist vielleicht wichtiger, die Fehler
    kennen zu lernen, und sich zu prüfen, ob man sie ertragen kann. Es ist
    gefährlich, sich einzubilden, dass

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