Der Gute Ton 1950
paar Jahren der auffallende Beweis, dass der Schenker einen
ziemlich schlechten Geschmack hatte. Falls man nur einen der
Ehegatten kennt, sollte man nicht eine persönliche Aufmerksamkeit,
wie zum Beispiel Schmuck, anbieten. Geschenke sind nicht für einen
Ehepartner bestimmt, sondern für beide. Es ist immer unangenehm,
wenn man einen Ehepartner vergessen hat.
Man soll den Verlobten möglichst ein Geschenk schicken, das sie
nicht schon in mehreren Exemplaren besitzen. Eine der amüsantesten
Seiten der früheren Geschenkausstellungen war die Möglichkeit,
festzustellen, dass, selbst wenn das junge Ehepaar elf Küchenschaufeln
aufgebraucht hatte, ihm immer noch zwölfe blieben. Auch Salzfässchen
waren genügend da, mit denen noch die Kinder ihrer Enkelkinder
spielen konnten, ohne dass es ihnen gelang, sie alle zu zerbrechen. Wie
können wir diese Doppelgeschenke vermeiden? Man kann sich sehr
gut mit Bekannten darüber unterhalten, was sie schenken, das
verringert die Gefahr etwas. Es ist die beste und einfachste Lösung, die
Verlobten selbst zu fragen, was sie wünschen. So wird man ihnen
bestimmt nichts schenken, was sie von anderer Seite wahrscheinlich
erhalten. Die Frage nach dem Geschenk kann die Verlobten in
Verlegenheit bringen, sie müssten aber darauf vorbereitet sein. Es wäre
allerdings wenig vornehm, wenn sie bei dieser Frage eine Liste aus der
Tasche ziehen würden, auf der alle gewünschten Gegenstände
vermerkt sind. Sie werden auch nicht sagen: »Wir haben da und dort
diesen und jenen Artikel gesehen, der uns zusagen würde.« Man darf
nicht vergessen, dass der Preis des Geschenkes ein Geheimnis bleiben
soll und man niemanden zwingen kann, über seine Verhältnisse zu
schenken. Wenn der Spender die Wahl zwischen mehreren
Gegenständen nicht den Verlobten überlässt, wird man ein Geschenk
erbitten, das in allen Preislagen zu kaufen ist. Die Geschenke werden
an die Adresse der Braut geschickt. Man kann sie auch in der
Wohnung des Bräutigams abgeben lassen, wenn es sich um ein
persönliches Geschenk für ihn handelt, und man die Anschrift der
Braut nicht kennt.
Man bedankt sich für jedes Geschenk durch einen Brief. Es ist sicher
nicht amüsant, zahlreiche Dankbriefe zu schreiben, aber da man hoffen
darf, dass sich die Freunde die empfangenen Antworten nicht
gegenseitig vorlegen, muss man nicht für jeden Brief besonders
originelle Sätze finden. Man sollte aber immer seiner Begeisterung für
das erhaltene Geschenk Ausdruck verleihen. An diesem Teil des
Briefes wird der Empfänger erkennen, dass er wirklich für ihn
bestimmt war.
EINLADUNG ZUR KIRCHLICHEN TRAUUNG.
Etwa zehn Tage vor der Zeremonie schickt man die Einladung zur
kirchlichen Trauung. Sie kann gedruckt sein; eleganter ist es, sie
prägen zu lassen. Wenn die Hochzeit mit viel Prunk gefeiert wird,
ladet man alle möglichen Bekannten ein. Es ist besser zuviel
Einladungen zu schicken als zu wenig. Dadurch wird die Feier in einer
überfüllten Kirche stattfinden, und man gewinnt den stärkenden
Eindruck, dass man viele Freunde besitzt, auch wenn sie nicht alle
aufrichtig sind, und die Mehrzahl nur den Anblick eines Schauspiels
geniessen will. Es wird gewiss viel Kritik geübt werden, aber man hätte
sicher noch mehr kritisiert, wenn man alle die Leute vergessen hätte
einzuladen, die trotzdem ohne Einladung gekommen wären. Man
ladet auch Geschäftsfreunde ein, selbst wenn das junge Paar sie nicht
kennt. Früher fügte man der Einladung zur kirchlichen Trauung eine
Karte bei, auf der man ankündigte, dass die Brautmutter nach der Feier
die Gäste empfange. Diese Sitte ist heute verschwunden.
DIE EINLADUNGEN ZUM HOCHZEITSESSEN.
Man ladet die Gäste und die Brautjungfern und Brautführer zum
Hochzeitsessen mit einem persönlichen Brief ein. Wenn man diese
Gäste jeden Tag trifft, ist natürlich eine schriftliche Einladung
überflüssig. Es gibt Leute, die man erst kurze Zeit kennt, und die man
doch zum Lunch oder zum Ball einladen will. Für diese Bekannten
lassen wir eine Einladung prägen. Wir schicken aber keine geprägte
Einladung an Gäste, die wir mit besonderer Rücksicht behandeln
wollen, selbst wenn wir sie nur zum Lunch einladen.
DIE KLEIDUNG.
Dies ist eines der grössten Probleme. Man kann nicht sagen, dass es
immer glücklich gelöst wird, besonders nicht von den Herren. Denken
wir zuerst einmal an die Damen und jungen Mädchen des
Brautgefolges. Man sieht heute nicht
Weitere Kostenlose Bücher