Der Gute Ton 1950
Verlobten für seine Braut ist dort ein Verlobungsring: ein
Ring mit einem Diamanten, der natürlich einen grösseren Wert hat als
der eigentliche Trauring. Die jungen Mädchen aller Länder würden
diesen Brauch wahrscheinlich sehr begrüssen. Die Herren werden aber
nicht ihrer Meinung sein. Diese Sitte eines Verlobungsringes war
früher auch in Deutschland üblich. Man hat auch auf einen anderen
Brauch verzichtet, der fürstlicher Herkunft war. Am Tag vor der
Hochzeit schenkte die Braut dem Bräutigam ein Hemd. Diese Sitte
können wir uns heute nur schwer erklären, selbst wenn wir uns
erinnern, dass in vergangenen Zeiten die Wäsche sehr kostbar war.
Die Verlobten sollen keine Gelegenheit vorbeigehen lassen, um
durch Blumen, kleine Geschenke und Aufmerksamkeiten jeder Art die
Gunst ihrer Schwiegereltern zu erwerben. Da heute die Herrschaft der
Eltern über die Kinder mehr oder weniger illusorisch ist, sollte man
diese Illusion nicht zerstören, sondern ihnen eine Hochachtung
ausdrücken, die umso lieber angenommen wird, als man dazu nicht
mehr verpflichtet ist. Es ist immer günstiger, Verbündete in der Familie
zu haben als Feinde.
DIE HEIRAT.
Vorbereitungen und Verpflichtungen des Ehepaares.
Die Verlobungszeit ist noch nicht zu Ende, und schon sind
finanzielle Fragen zu lösen. Die meisten jungen Eheleute gründen ihre
Ehe in Gütergemeinschaft; sie tun recht, denn wenn die Eltern des
jungen Mädchens dem Bräutigam gegenüber Misstrauen empfinden,
ist dies ein schlechter Anfang. Ohne einen Vertrag vor dem Notar
abzuschliessen, bringen die Eheleute die Heiratsgüter mit, die der
Brauch vorgesehen hat. Wir wohnen in einem glücklichen Land für die
Männer, da die Braut ungefähr für die gesamte Einrichtung des
Haushalts Sorge trägt. Sie bringt die Wäsche mit und meistens auch
die Möbel. Die persönliche Aussteuer ist heute nicht mehr so reichlich,
es ist auch klüger so, da die Mode zu häufig wechselt. — Die Möbel
werden heute vielfach von den beiden jungen Leuten gekauft. Die
Aussteuer ist mit den Initialen der Braut gezeichnet; es gibt Gegenden,
in denen die Wäsche das Monogramm des Gatten und das
Monogramm der Braut trägt. Die Kosten der kirchlichen Trauung und
der Hochzeitsfeier werden von den Eltern der Braut bestritten. Diese
Fragen werden jeweils nach althergebrachten Sitten der Gegend
entschieden. Wenn der Mann nicht dem Lande seiner Braut angehört,
nimmt er die Sitte ihres Landes an.
DIE GESCHENKE.
Eine delikate Angelegenheit für den Schenker wie für den
Empfänger! Man hat, Gott sei Dank, auf die barbarische Sitte
verzichtet, die Geschenke am Hochzeitstage im Hause der Braut
auszustellen. Auch wenn die Geschenke prächtig waren, hat diese
Ausstellung immer an einen Trödlerladen erinnert. Sie sollte
vermutlich den Wetteifer der Spender anregen, denn die Besuchskarte
lag neben dem Geschenk. Es war eine wunderbare Gelegenheit für die
kurzsichtigen und zänkischen älteren Damen, ihren Kneifer
aufzusetzen und besonders sorgfältig die Geschenke ihrer Feinde zu
begutachten. Später konnten sie dann erzählen, dass sich Familie
soundso mit dem Hochzeitsgeschenk bestimmt nicht ruiniert habe und
dass die Familie X ganz sicher kurz vor dem Bankerott stehe. In
unseren Tagen ist das Geschenk für das Ehepaar bestimmt und nicht
für die Besucher. Im allgemeinen werden die Freunde ein Geschenk
machen, die zu einem Teil des Festes, also entweder zum Essen oder
zum Lunch, eingeladen wurden; sie werden es vor der Hochzeit
hinschicken.
Die Einladungen zur Hochzeit werden brieflich gemacht, gedruckte
oder besser geprägte Karten sind nur für Bekannte bestimmt. Für
Freunde und Verwandte sind sie zu unpersönlich. Wenn eine Hochzeit
wegen eines Trauerfalls nicht gefeiert wird, sind die intimen Freunde,
die zur kirchlichen Trauung erscheinen, nicht von einem Geschenk
befreit. Auch wer einer Einladung nicht Folge leisten kann, weil er
vielleicht nicht in derselben Stadt wohnt, muss ein Geschenk machen,
die Post übermittelt es gerne. Viele Leute, die nicht recht wissen was
schenken, geben sich mit Blumen zufrieden. Blumen ersetzen aber
niemals ein Geschenk, sie können jedoch ein Geschenk begleiten. Für
flüchtige Bekannte genügen Blumen.
Ein Heiratsgeschenk zeigt das Interesse, das man an dem jungen
Haushalt nimmt, es darf daher dauerhaft sein. Man wird aber
sogenannte »moderne Kunstgegenstände« vermeiden. Häufig sind sie
nach ein
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