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Der Hammer der Götter

Der Hammer der Götter

Titel: Der Hammer der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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ausgegangen, das kannst du mir glauben.«
    Endlich raschelte es, und aus dem Schatten wurde eine Gestalt, die sich vom Waldrand löste und einen einzelnen Schritt auf ihn zutrat. Es war ein sehr kleiner Mann, vielleicht auch ein Kind, aber wenn, dann ein Kind mit dem Gesicht eines Greises, schmal, faltig und von einer Hakennase wie einem gebogenen Messer beherrscht. Dünne Lippen, die aussahen, als wäre niemals Blut in ihnen geflossen und ein kahler Schädel vervollständigten den Eindruck, einem Greis gegenüberzustehen, nur die Augen störten. Sie waren dunkel und lagen in tiefen, knochigen Höhlen, waren aber wach und von einer heimtückischen Schläue erfüllt, die ihn doch wieder an ein bösartiges Kind denken ließen. Ganz im Gegensatz waren seine Hände die eines sehr alten Mannes: schmal, knochig und von pergamenttrockener, altersfleckiger Haut bedeckt, und Thor hatte das irritierende Gefühl, dass sie viel zu viele Gelenke und Knöchel hatten, ohne es jedoch genau erkennen zu können. Darüber hinaus sah er nur einen faltigen schwarzen Mantel, der die Gestalt zur Gänze verhüllte, mit einer übergroßen Kapuze, die im Augenblick in seinem Nacken zusammengelegt war.
    »Hast du mich jetzt lange genug angestarrt?«
    Thor musste sich eingestehen, dass er das tatsächlich seit einer geraumen Weile tat, und rettete sich in ein trotziges Schulterzucken. »Ich frage mich, ob ich vielleicht doch schlimmer gestürzt bin, als ich bisher geglaubt habe, wenn ich mir etwas so Hässliches wie dich einbilde.«
    »Falls es dich tröstet, Großer: Für meinen Geschmack bist du auch nicht gerade eine Schönheit«, giftete der Zwerg. »Interessiert es dich, was ich dir zu sagen habe, oder willst du mich noch ein bisschen beleidigen?«
    »Du kannst mir nichts sagen, was ich nicht schon wüsste«, antwortete Thor. »Du bist ein Teil von mir. Nur eine Ausgeburt meiner Fantasie.«
    »Ja, und wahrscheinlich bin ich deshalb auch so hässlich, nicht wahr?«, antwortete der Zwerg.
    »Was willst du? «, fragte Thor. Die Situation kam ihm ... absurd vor. Ein Teil von ihm – ein nicht kleiner Teil – war vollkommen sicher, hier zu stehen und mit nichts anderem als einer Einbildung zu reden, aber was ... wenn nicht?
    Etwas im Blick der boshaften Kinderaugen änderte sich, und jetzt war sich Thor sicher, dass die unheimliche Erscheinung seine Gedanken las; was nur ein weiterer Beweis war, dass er einer Halluzination aufsaß. Was den Zwerg aber umso unheimlicher machte.
    »Was willst du?«, fragte er noch einmal.
    Statt zu antworten, wackelte der Zwerg ein paarmal mit dem Kopf, löste sich endgültig von seinem Platz am Waldrand und ging mit kleinen trippelnden Schritten um ihn herum und auf die Anhöhe zu, wobei er sonderbarerweise nicht wirklich an Substanz zu gewinnen schien. Auf eine unmöglich in Worte zu fassende Weise blieb er ein Schatten, als wäre er nicht ganz Teil dieser Welt, sondern eine Erscheinung aus einer anderen Sphäre, die menschliche Sinne nicht zur Gänze erfassen konnten. Thor folgte ihm, hin und her gerissen zwischen immer noch größer werdender Verwirrung und Furcht, die allmählich aus einem Teil seiner Seele heraufkroch, von dem er bisher noch gar nicht gewusst hatte, dass es ihn gab. Und auch diese Furcht verwirrte ihn. Die Erkenntnis, nur einem bösen Spuk aufzusitzen, sollte ihn beruhigen, aber das Gegenteil war der Fall.
    Auf der Anhöhe angekommen, blieben sie stehen, und aus irgendeinem Grund hob der Zwerg die Hände, um die Kapuze seines Mantels hochzuschlagen und so weit nach vorn zu ziehen, dass sein Gesicht in den Schatten darunter verschwand. Nur die Nase ragte noch wie ein gebogener Haken aus rostigem Eisen daraus hervor. War sie ... spitzer geworden?
    »Tatsächlich«, murmelte der Zwerg, nachdem er eine Zeitlang schweigend auf den Strand und das emsige Treiben an Deck des Schiffes hinunter gesehen hatte. Hektisches Hantieren und Hämmern und gedämpfte Stimmen wehten zu ihnen herauf. Jemand lachte, ein Laut, der Thor in dieser Situation vollkommen unangemessen erschien. »Das Naglfar . Ich hätte nicht gedacht, dass ich es noch einmal mit eigenen Augen sehe. Allein dafür sollte ich dir dankbar sein. Vielleicht lasse ich euch noch einen Tag länger am Leben.«
    »Was willst du?«, fragte Thor zum dritten Mal. Sein Zorn wuchs. Warum packte er diese alberne Ausgeburt seiner Fantasie nicht einfach und brach sie über dem Knie entzwei?
    Immerhin antwortete der Zwerg diesmal, wenn auch nicht so, wie

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