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Der Heilige Krieg

Der Heilige Krieg

Titel: Der Heilige Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Knopp
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auch über eine zahlenmäßig mehrfach überlegene Streitmacht zur Verteidigung. In der Nacht zum 15. Juli rollten die Belagerungstürme der Kreuzfahrer auf die nördlichen Mauern zu. Die Angreifer waren gezwungen, sich auf wenige Stellen zu konzentrieren. Ein Regen aus Lanzen, Geschossen und Steinen prasselte auf sie nieder. Bald stand der südlichste Belagerungsturm in Flammen. Bei der Abwehr der Angriffe kamen auch verheerende Waffen zum Einsatz. Die Fatimiden hatten Töpfe mit einer zähen, brennbaren Flüssigkeit vorbereitet, mit denen sie kleine Katapulte bestückten, um sie dann in die Reihen der Feinde zu schleudern. Diese Brandsätze machten es den Belagerern schwer, die Mauern zu überwinden, denn die Töpfe zersprangen beim Aufschlag, und die brennende Masse ergoss sich über die Angreifer und ihr Kriegsgerät. Dazu zählten auch die Rammböcke zum Durchstoßen der Tore und Mauern. Sie waren mit einer Abdeckung aus Holz und Lederhäuten versehen und ständigem Beschuss ausgesetzt. Etwa 20 Mann ließen die Ramme, einen langen Baumstamm, der am vorderen Ende mit Eisen beschlagen war, mit pendelartigen Bewegungen gegen das Bollwerk krachen. Die dumpfen, regelmäßigen Schläge dröhnten durch die ganze Stadt.
    Bild 51
    Diese Buchmalerei aus der Mitte des 14. Jahrhunderts zeigt die Eroberung Jerusalems – mit der Passion Christi im Hintergrund.
    Die Hoffnungen der Angreifer richteten sich einmal mehr auf die Truppen des Gottfried von Bouillon. Sein Belagerungsturm hatte sich im Nordwesten der Mauer genähert – ein Geschosshagel ging auf das hölzerne Monstrum nieder. Mit Enterhaken und Seilen versuchten die Verteidiger, den Turm zu Fall zu bringen, was die Angreifer mit riesigen Beilen zu verhindern wussten. Schließlich krachte die Zugbrücke des Turmes auf ein Mauerstück. Lethold, ein flämischer Ritter, überwand als
Erster mit einem gewagten Sprung den Zinnenkranz. Gottfried von Bouillon stürmte, gefolgt von seinen Männern, die Mauerkrone. Was sich nun abspielte, war ein unerbittlicher Nahkampf, der sich, wie Chronisten berichten, zu einem fürchterlichen Blutrausch steigerte: »Sofort nach dem Überwinden der Mauer durchzogen der Herzog und die Seinen, die Schwerter gezückt, mit Schild und Helm bedeckt, die Gassen und Plätze der Stadt. Alle Feinde, die sie finden konnten, streckten sie mit der Schärfe ihres Schwertes nieder… ohne jemanden zu schonen, und erfüllten alles mit Blut.«
    »Nicht nur die eigentliche Herkunft der Kreuzfahrer – die man oft schlicht als Barbaren aus dem Norden betrachtete – wurde auf muslimischer Seite häufig verkannt. Auch der spezifische Charakter ihres Zuges, das religiöse Fundament des Unternehmens also, war den Beobachtern in Kairo, Damaskus oder Bagdad anfangs vielfach nicht bewusst.«
    Nikolas Jaspert, Historiker
    Die Kreuzritter entfesselten ein Massaker. Wie besessen stürmten sie durch die Gassen, drangen in Häuser und Moscheen ein, erschlugen jeden, der ihnen in die Quere kam. Drei Tage dauerte das Gemetzel, das nur wenige Einwohner Jerusalems überlebten. Männer, Frauen, Kinder starben, auch die Moscheen boten keinen Schutz: »In der Al-Aqsa-Moschee töteten die Franken mehr als 70 000 Muslime, unter ihnen viele Imame, Religionsgelehrte, Fromme und Asketen, die ihr Land verlassen hatten, um an diesem geheiligten Ort zu beten«, schrieb Ibn al-Athir, ein arabischer Chronist. Auch wenn die genannte Zahl der Opfer weit übertrieben sein dürfte, so starben doch insgesamt viele tausend Menschen, und nicht nur Muslime: Die Juden Jerusalems hatten sich in ihre Hauptsynagoge geflüchtet. Während der Felsendom und die Al-Aqsa-Moschee der Zerstörung entgingen, wurde ihr Gotteshaus in Brand gesteckt, niemand konnte entkommen. Selbst orientalische Christen blieben nicht verschont. Ein anderer Chronist schrieb über jene Tage in Jerusalem: »Die Einwohner wurden dem Schwert überliefert, und die Franken mordeten in der Stadt eine Woche lang.« Auf das Gemetzel folgte die Plünderung, viele der Überlebenden gerieten in die Sklaverei oder kamen nur durch Zahlung einer hohen Lösegeldsumme wieder frei.

    Bild 62
    Die Rückeroberung der Heiligen Stadt wird auf diesem Ölgemälde aus dem 19. Jahrhundert pathetisch in Szene gesetzt.
    Welch ein drastischer Unterschied zur Eroberung Jerusalems durch die Muslime im Jahr 638: Seinerzeit war auf Anordnung des Kalifen Omar kein einziger Christ misshandelt worden. Mit ausschlaggebend dafür war, dass eine Verteidigung

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