Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)
und unterbrach seine starre Konzentriertheit nur, um ab und zu sein Glas an die Lippen zu heben. Als Carpenter geendet hatte, begann er Fragen zu stellen, zunächst fernerliegende, dann ging er direkter die Frage an, ob es an Bord wirklich keinen Platz für die zerstrittenen Parteien der Captains Kovalcik und Kohlberg gegeben habe, so dass Carpenter schließlich die ganze Geschichte stückweise noch einmal erzählen musste.
Und je öfter er die Geschichte wiederholte, desto schwerer fiel es ihm selbst, seine Version der Ereignisse zu akzeptieren. Allmählich schien ihm, als hätte es doch keine ernsthaften Schwierigkeiten bedeutet, wenn er die Schiffbrüchigen an Bord genommen hätte. Er hätte fünf da, sechs dort verstauen können, in Kammern und Toiletten und jedem anderen freien Ort, er hätte die Screenrationen reduzieren können, so dass es für alle reichte …
Oder er hätte sie vielleicht wenigstens in ihren drei Dinghis bis nach San Francisco ins Schlepptau nehmen sollen …
Aber nein. Nein.
»Es war nicht machbar, Nick. Du musst es mir einfach auf Wort glauben. Das waren fünfzehn oder zwanzig Leute, und wir hatten nicht mal genug Platz für uns fünf Leute an Bord. Von den Verpflegungs- und Screenvorräten ganz abgesehen. Jesus Christus, glaubst du etwa, ich wollte diese Menschen mitten im Pazifik im Stich lassen? Glaubst du nicht, dass mir die Entscheidung verdammt schwer gefallen ist?«
Rhodes nickte. Dann schaute er Carpenter seltsam an und fragte: »Hast du irgendwem gemeldet, dass du einem Schiff in Seenot begegnet bist?«
»Das war nicht nötig«, sagte Carpenter dumpf. »Die hatten selber Funkverbindung.«
»Du hast also mit keinem Wort das Seefahrtsamt informiert? Du hast einfach kehrtgemacht und sie dort gelassen?«
»Ja, ich hab einfach kehrtgemacht und sie dort sitzen lassen.«
»Jesus, Paul«, sagte Rhodes leise. Er gab das Zeichen für eine weitere Runde. »Mann, das war wirklich gar keine gute Idee, fürchte ich.«
»Nein. Das war es nicht. Wie wenn man sich bei einem Unfall schleunigst verdrückt, was?« Es fiel ihm schwer, Nicks Blick standzuhalten. »Aber du warst nicht dabei, Nick. Du weißt nicht, unter welcher Belastung ich stand. Unser Schiff war winzig. Ich hatte diesen Eisberg im Schlepp und wollte weg, bevor er schmolz. Die Besatzung auf dem Kalmarschiff war sich seit Wochen an die Gurgeln gegangen, und sie wirkten absolut verrückt und gefährlich. Außerdem waren es Leute von Kyocera, nicht dass das meine Entscheidung mitbestimmt hätte, aber ich wusste es eben. Es war schlichtweg unmöglich, sie zu uns an Bord zu nehmen. Also bin ich schleunigst abgezogen. Ich erwarte nicht, dass man mich dafür belobigt, aber ich habe es nun mal getan. Und was die Sendung eines Notrufs für sie angeht, ich dachte mir, dass die selbst schon ihr SOS losgeschickt haben und ich das nicht noch einmal zu tun brauchte. Und was einen offiziellen Eintrag ins Logbuch angeht, das habe ich nicht getan, weil … weil …«
Er suchte einen Moment lang nach Worten, fand aber keine passenden.
Dann plötzlich sagte er direkt in die fest auf ihn gerichteten Augen von Rhodes hinein: »Ich nehme an, ich dachte mir, es würde ein schlechtes Licht auf mich werfen, wenn ich berichten würde, dass ich einem Schiff in Seenot begegnet bin und nichts zu seiner Hilfe unternommen habe. Also versuchte ich eben, das Ganze unter den Teppich zu kehren. Jesus, Nick, es war mein erstes Kommando!«
»Und du hast deiner Besatzung befohlen, nichts darüber zu sagen.«
»Ja. Aber sie haben trotzdem geredet.«
»Die Überlebenden von dem anderen Schiff haben dich wahrscheinlich ebenfalls angezeigt, ja?«
»Welche Überlebenden? Es kann keine gegeben haben.«
»Oh, Paul … Paul!«
»Es war mein erstes Kommando, Nick. Ich hab nie darum gebeten, ein beschissener Seekapitän zu werden.«
»Aber du hast dich trotzdem von ihnen dazu machen lassen.«
»Stimmt. Das habe ich. Und damit habe ich zum ersten Mal in meinem Leben was richtig beschissen Blödes angestellt und … ja, es tut mir leid! Aber ich wusste mir nicht anders zu helfen, Nick. Verstehst du das nicht?«
»Trink noch was.«
»Das wird mir auch nicht helfen.«
»Mir hilft es gewöhnlich schon ein bisschen. Vielleicht wirkt's ja auch bei dir.« Rhodes lächelte. »Ich denke, am Ende wird es für dich gut ausgehen, Paul. Das Hearing und alles.«
»Glaubst du?«
»Die Firma wird dich decken. Wie du sagst, es gab keine Möglichkeit, diese Leute an Bord zu
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