Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)
ja?«
»Ganz und gar nicht«, sagte Rhodes. »Es ist folgendes passiert: Kyocera hat Wu Fang-shui irgendwie aufgestöbert, aus seinem Asylort rausgekriegt – frag mich nicht, wie –, und er arbeitet jetzt bei ihrem Projekt der Konstruktion eines Sternenschiffs mit Überlichtgeschwindigkeit mit. Anscheinend wird die Besatzung eine Art Genretroadaptation brauchen, und Wu führt das für die Firma durch. Nakamura sagte, dass er meinem Forschungsteam als Berater zur Verfügung gestellt werden kann.«
»Dieser verdrehte, aber höchst abscheuliche Genetiker?«
»Der Einstein der Sparte, ja. Und ich soll mit dem zusammenarbeiten.«
»Aber du verabscheust ihn dermaßen, dass du nicht im Traum …«
»Du hast es immer noch nicht kapiert, Paul«, sagte Rhodes. »Bis jetzt sind wir noch weit von der Lösung etlicher der komplizierteren Adaptorätsel entfernt. Die große ehrgeizige Totaltransformation, die mein kleiner Van Vliet dargelegt hat, steckt noch voller unübersehbarer Löcher, und inzwischen sieht sogar er das selber ein. Aber ein Hirn wie das von Wu Fang-shui könnte mit diesen Problemen fertig werden. Wenn der in unserem Team ist, dann haben wir möglicherweise in ganz kurzer Zeit eine vollkommene Adaptotechnik parat. Und das würde bedeuten, dass Kyocera über genau das Genmonopol verfügt, das ich Samurai nicht zu verschaffen wage.«
»Also wirst du das Angebot ablehnen?«
»Ich bin mir nicht sicher.«
»Nicht?«
»Ich überlege immer noch her und hin. Habe ich wirklich irgendein Recht, mich einer Technik in den Weg zu stellen, die die Menschheit in die Lage versetzt, mit den Veränderungen fertig zu werden, die auf sie zurollen?«
Carpenter wusste, dass sich in Rhodes' Logik früher oder später ein Loch zeigen musste. Und hier war es. »Du kannst nicht beides haben, Nick. Du sagst, du willst den Fortschritt nicht behindern, aber gerade hast du mir erklärt, dass es dich beunruhigt, einer Firma ein Monopol zu verschaffen …«
»Es bedrückt mich, ja. Aber ich wiederhole meine Frage. Mein Team zusammen mit Wu Fang-shui könnte möglicherweise die Lösungen erbringen, die wir für unser Überleben brauchen. Aber mein Team gehört Samurai, und Wu gehört Kyocera. Wenn wir beide zusammentun, finden wir die Lösung wohl innerhalb von zwei, drei Jahren. Wenn wir nicht zusammenarbeiten, wer weiß, ob dann jemals einer die Lösung findet? Möchte ich die Schlüsselfigur werden und die Totaltransformation Wirklichkeit werden lassen? Oder will ich die Schlüsselfigur sein, die eine Totaltransformation verhindert oder gravierend verzögert? Es liegt alles bei mir, oder? Und ich bin ganz und gar nicht sicher, was ich tun soll. Eigentlich bin ich völlig durcheinander, Paul.« Rhodes grinste schief. »Und nicht zum ersten Mal.«
»Nein«, sagte Carpenter. Der altvertraute Dunsthauch moralischer Verwirrtheit, der von Rhodes ausging, lenkte ihn beinahe von seinen eigenen Sorgen ab. »Nein, nicht zum ersten Mal.«
Das 442-Hearing fand dann drei Tage später statt. Wieder in Schuppen Vierzehn der Hafenbehörde von Oakland. Der Regen hatte keinen Moment ausgesetzt in den drei Tagen: ein stetiger ärgerlicher Dauerregen, ein Getrommel dicker dreckiger Tropfen, das in einem irren Umschwung der langgewohnten Wettermuster auf die gesamte Bay-Region niederging. Niemand vermochte zu prognostizieren, wie lange das so weitergehen würde, bevor Trockenheit und Dürre wieder mit unerbittlicher Faust die Westküste heimsuchen würden. Inzwischen waren die Straßen überspült, Häuser rutschten torkelnd über Klippen, Hänge waren von tiefen Rinnen durchschnitten, auf den Straßen flossen Ströme von Dreck.
Als Carpenter sich zur Anhörung einfand, waren nur zwei weitere Menschen im Raum: der Vernehmungsbeamte mit dem irischen Namen und die androidisch aussehende Gerichtsdienerin. Carpenter fragte sich, wo Tedesco blieb, der ihn im Auftrag von Samurai anwaltlich vertreten sollte. Nahm der sich etwa wegen des Regens frei?
O'Brien, O'Reilly, O'Leary eröffnete mit seinem Hämmerchen die Anhörung. Diesmal merkte Carpenter sich den Namen. Er war O'Reilly. O'Reilly.
»Einspruch«, sagte Carpenter sofort. »Mein Anwalt ist nicht da.«
»Anwalt? Wir brauchen hier keinen Anwalt.«
»Mr. Tedesco von Samurai. Er vertritt mich. Er sollte heute hier dabei sein.«
O'Reilly sah die Gerichtshelferin an.
»Mr. Tedesco hat Antrag auf Stipulation a posteriori gestellt«, sagte die Frau.
»Was?«, fragte Carpenter.
»Das Ersuchen,
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