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Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)

Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)

Titel: Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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war er überzeugt. Bei all ihrer Neigung, modische wissenschaftsfeindliche Politslogans nachzuplappern, war ihr doch auf einem tieferen Bewusstseinsniveau klar, dass Modifikationen des menschlichen Körpers dringend vonnöten waren, bevor die Luft- und Umweltbedingungen sich noch weiter verschlechterten. Und das würden sie zwangsläufig, trotz aller bereits unternommenen Bemühungen, weiterer Beschädigung der Umwelt Einhalt zu gebieten und die bereits angerichteten Schäden zu heilen. KNOCHEN, LUNGEN, HAUT, NIEREN, HERZ, GEHIRN. Fünf dieser sechs würden radikal verändert werden müssen; und Rhodes wusste, das entscheidende Faktum dabei würde sein, dass Nummer Sechs mehr oder weniger unbeeinträchtigt blieb, dass also nach der Vollendung seiner Arbeit der in dem Knochen-Fleischgerüst hausende Verstand noch ein erkennbar menschlicher blieb.
    Isabelle durchquerte das Zimmer und hinterließ eine Leitspur von Kleidungsstücken. Rhodes folgte ihr und betrachtete mit geschärftem Wohlgefallen das Spiel ihrer Muskeln auf dem sich schmal nach oben verjüngenden Rücken, die zarte Linie der Rückenwirbel unter der straffen Haut, die atemberaubende nach innen gebogene Kurve ihrer Taille. Um den langen schlanken Hals wölbte sich wie eine wolkige Flammenkrone ihr zinnoberrotes Haar.
    Und im Moment, da sie im Schlafzimmer verschwand, meldete sich das Telefon.
    Um diese Zeit!
    Rhodes knipste automatisch an, und im Visor erschien Paul Carpenters rotäugiges, müdes, verspanntes Gesicht. Wenn man an den Teufel denkt, dachte Rhodes.
    »Nick? Tut mir leid, dich so spät zu stören …«
    »Spät?« Ja, spät war es wirklich. Rhodes versuchte das beiläufig abzutun. »Hier ist es noch nicht so spät, aber in Chicago muss das ja mitten in der Nacht sein. Du bist doch noch in Chicago, Paul?«
    »Vorläufig.« Pauls Stimme klang dumpf und unklar. Er war entweder betrunken oder sehr, sehr müde. »Ich werde morgen hier abhauen, denke ich. Ich komme zurück nach Kalifornien.«
    »Das ist fein, Paul«, sagte Rhodes vorsichtig. »Freut mich, das zu hören.«
    Eine kurze Pause. »Es war fein für mich, hier in Chicago. Vielleicht bin ich dabei ein bisschen klarer im Kopf. Aber diese Freundin, bei der ich zu Besuch war, also – sie hat ihr eigenes Leben, und ich kann mich ihr nicht auf unbegrenzte Zeit aufhalsen. Und das hier ist ehrlich ein beschissener Ort, wenn man hier leben muss, wirklich scheußlich. Also habe ich mir gedacht – Kalifornien – und ein neuer Anfang …«
    »Fein«, sagte Rhodes wieder und verabscheute sich, weil seine Stimme so kühl und unbegeistert klang. »Das Land des Neubeginns.« Er wünschte, er hätte ihm etwas Handfestes anzubieten, und er kam sich schäbig und unbedarft vor, weil er das nicht konnte.
    Er schaute starr auf den Visor. Müde, verquollene Augen schauten zu ihm zurück. Es schien Paul schwerzufallen, den Blick zu konzentrieren. Er war eindeutig betrunken. Dessen war sich Rhodes jetzt sicher. Diese Symptome kannte er besser als sonst einer.
    »Ich habe gerade Jolanda angerufen«, sagte Carpenter. »Ich dachte vielleicht kann sie mich für ein paar Tage aufnehmen, bis zu meiner Verhandlung, weißt du, und bis ich mir klargeworden bin, was ich dann mache und so weiter, du weißt schon …«
    »Aber sie ist noch droben in L-5«, sagte Rhodes. »Sie soll morgen eigentlich wieder da sein.«
    »Aha. Habe ich mir fast gedacht.«
    »Sie ist aber immer noch mit diesem Israeli zusammen. Der kommt ebenfalls mit runter. Und noch einer, den sie da droben aufgegabelt haben. Sie hörte sich an, als brächte sie einen ganzen gottverdammten männlichen Harem mit.«
    »Ach so«, sagte Carpenter. »Dann rechne ich wohl besser nicht mit ihr.«
    »Nein, besser nicht.«
    Wieder langes Schweigen, unangenehm zäh.
    Dann sagte Carpenter: »Ich frage mich, Nick, ob … also, ob es vielleicht ginge, wenn ich …«
    »Aber ja. Natürlich geht das«, sagte Rhodes hastig. »Dass du 'ne Weile hier bei mir bleibst, Paul. Du weißt doch, du bist mir stets willkommen.«
    »Und ich störe dich auch bestimmt nicht?«
    »Sei kein Arsch. Hör zu, ruf mich an, sobald du losfährst, und dann noch mal, sobald du noch etwa einen Tag von der Bay-Region entfernt bist. Hinterlass mir Nachricht, oder was du eben meinst. Sag mir, wann ich mit dir rechnen kann, damit ich auch sicher zu Hause bin. – Bist du sonst okay, Paul?«
    »Mir geht's grandios. Wirklich.«
    »Geld?«
    »Ich komm hin.«
    »Also, dann seh ich dich in – drei Tagen?

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