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Der hellste Stern am Himmel

Der hellste Stern am Himmel

Titel: Der hellste Stern am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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und größer als sonst. Sie musste sofort aufstehen.
    Flink und lautlos glitt sie aus dem Bett, ging auf den Flur hinaus und atmete auf – doch als sie einen Zettel auf dem Fußboden bei der Wohnungstür sah, überfiel die Angst sie abermals. Es war eindeutig kein Werbezettel
von einer Firma, die die Reinigung von Regenrinnen anbot. Die Wurfsendungen, die ins Haus kamen, wurden auf einen Tisch in der Eingangshalle gelegt, dieser hier musste also von jemandem im Haus persönlich unter der Tür durchgeschoben worden sein. Sie hatte Angst, den Zettel aufzuheben. Aber sie hatte vor allem Angst.
    »Liebe Maeve, lieber Mark,
    langsam glaube ich, Sie ignorieren mich! Haben Sie meine anderen Mitteilungen nicht bekommen?«
    Welche anderen Mitteilungen?
    »Zum dritten Mal: Dies ist eine Einladung zu den Dreharbeiten von Dein eigenes Paradies . (Wird in Kürze auf Channel 8 gezeigt.)«
    Darauf folgte eine ganze Liste von Telefonnummern.
    »Melden Sie sich. Sagen Sie mir, wann es am besten passt.
    Grüße
    Fionn«
    Fionn. In dem Moment, als sie den Zettel so unschuldig auf dem Boden liegen gesehen hatte, war ihr klar gewesen, dass er von ihm war. Und was war mit den anderen Mitteilungen, von denen er sprach? Matt musste etwas damit gemacht haben. Und sie würde mit dieser etwas machen. Sie knickte den Zettel halb um, dann wieder halb und wieder halb, dann wieder halb, und sie hätte das Blatt immer weiter gefaltet, nur dass es zu dick wurde und sich nicht weiter falten ließ. Dann ging sie auf Zehenspitzen ins Wohnzimmer und verstaute den Zettel im Münzfach ihrer Geldbörse, die sie in der Innentasche ihrer Umhängetasche verstaute. Im Büro würde sie den Zettel in den Reißwolfwerfen.

    Gedanken an Fionn folgten ihr den ganzen Tag wie ein Schatten. Er kam mit ihr zur Arbeit und stand neben ihr, als sie seine Mitteilung vernichtete, und er war neben ihr, als sie ihre gute Tat des Tages vollbrachte, die darin bestand, in den Pub zu gehen und das Handy zu holen, das eine Kollegin dort vergessen hatte, und den ganzen Tag gab es keinen Augenblick, da sie seine Gegenwart nicht spürte.
    Als sie nach Hause kam, hoffte sie, sie könnte ihn draußen im Flur zurücklassen, aber er schlüpfte hinter ihr durch die Tür. Er kam mit in die Küche, wo sie mit Matt das Abendessen besprach, und erst, als sie sich auf dem Sofa ausstreckte und die Zeitung durchblätterte, um das Fernsehprogramm zu studieren, hatte sie Ruhe vor ihm.
    Aber plötzlich war er wieder da. Fionn! In der Zeitung. Er lächelte auf einem Farbfoto. Ihre Arme bekamen eine Gänsehaut, ein kaltes Kribbeln fuhr ihr über den Nacken. Das Bild ist nicht wirklich da. Es ist eine Einbildung.
    Sie berührte die Zeitung mit den Fingerspitzen, aber das Bild verschwand nicht. Man konnte die Einzelheiten darauf gut erkennen: die goldenen Strähnen und die hellen Stoppeln auf seinem ausgeprägten Kinn. Wenigstens dachte sie, sie könnte das sehen. Sie hätte viel darum gegeben, wenn jemand ihr hätte bestätigen können, dass sie sich das nicht einbildete und dass sich ihr Zustand nicht verschlechterte und sie nicht im Begriff war, den Verstand vollständig zu verlieren, aber mit ihr in der Wohnung war nur Matt, und der war der Letzte, den sie das fragen konnte. Die Wörter um das Foto herum hüpften
auf der Zeitungsseite wie Flöhe in einem Flohzirkus, weshalb Maeve nicht feststellen konnte, warum dieser Mann aus ihrem Kopf auf die Seite vor ihr gesprungen war. Doch dann stellten sich die Buchstaben wieder in ordentlichen Reihen auf und teilten ihr mit, dass Fionn bald eine neue Gartensendung präsentieren würde – wahrscheinlich die Sendung, die er auf dem Zettel erwähnt hatte.
    Jetzt atmete sie wieder freier. Das hier war normal. Eine Fügung von Zufällen, aber normal. Leute, die im Fernsehen auftraten, kamen auch in die Zeitung. Außerdem wurden Fakten erwähnt, die sie kannte, nämlich dass Fionn aus Monaghan war und dass die Sendung sechs Wochen lang ausgestrahlt wurde. Nein, sie hatte sich nichts eingebildet.
    Aber sein Bild zu sehen, nachdem sie den ganzen Tag an ihn gedacht hatte …
    Sie riss sich zusammen, um das zu tun, was sie bisher noch nicht getan hatte: Sie guckte ihm in die Augen. Und er guckte zurück … und dann zwinkerte er ihr zu. Mit lautem Geraschel warf sie die Zeitung von sich und steckte die Hände zwischen die Oberschenkel, damit sie zu zittern aufhörten.

NEUNUNDDREISSIG TAGE
    »Was für einen Film hast du uns besorgt?«, fragte Lydias

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