Der hellste Stern am Himmel
Grund, dass er nicht kommen würde , war noch nie vorgekommen. Es fühlte sich nicht gut an, auch nicht richtig, aber es war nötig.
Er hatte Katie gern gemocht, sehr gern sogar, wenn er ehrlich war, und er war auf die Trennung nicht vorbereitet gewesen. Eine Frau, die sich von ihm trennte – das war eine radikale Abweichung von dem üblichen Muster seiner Liebesgeschichten. Es war lang, lang nicht passiert, vielleicht nie, und es hatte ihn ganz schön erschüttert. Nicht bis in sein Innerstes, das nicht, sein Innerstes war mit Titan versiegelt, aber doch recht nah an seinem Innersten. So, dass die Kaffeetassen auf den Tischen in seinem Innersten klirrten.
Schlimmer noch als die Tatsache, dass Katie ihn abgeschoben hatte, war ihre Weigerung, sich zurückgewinnen zu lassen. Er hatte ihr den höchsten Preis geboten – Heirat –, und sie hatte ihm die kalte Schulter gezeigt. Ihm, die kalte Schulter. Doch statt seine Zeit damit zu verschwenden, vor Verzweiflung die Hände zu ringen, hatte er sich gefragt, was er daraus lernen konnte. Das funktionierte immer, wenn bei der Arbeit etwas schieflief. Er hatte seine eigene Formel entwickelt:
BAAB:
Bewertung der Situation.
Anerkennung , wo Kontrolle eingeschränkt war.
Anpassung an die nächsten Erfordernisse mit neuen, angemesseneren Reaktionen.
Blickrichtung nach vorn.
Er wünschte, er hätte es griffiger formulieren können. Mit einer Abkürzung, die sich leichter sprechen ließ. BABA , zum Beispiel, wäre ideal gewesen, aber ihm war einfach nicht eingefallen, wie man die beiden letzten Punkte hätte umstellen können.
Was nun Katie anging, so hatte er die Situation b ewertet, und er scheute sich nicht zuzugeben, dass er sich geirrt hatte – deswegen war er so geeignet für die Arbeit, die er machte –, und er war seiner Ansicht nach Manns genug a nzuerkennen, dass er an dem Bruch schuld war.
Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, sich an die neuen Erfordernisse a nzupassen: Er musste bei seiner Einstellung zur Arbeit flexibler werden. Anpassung bedeutete Überleben. Er glaubte nicht an Schicksal, aber er vertraute darauf, dass Möglichkeiten sich maximieren ließen, und als Lydia auf den Plan trat und ihn damit herausforderte, einen Tag freizunehmen, reagierte er darauf. Es war einen Versuch wert, mal sehen, ob die Welt davon unterging. Und wenn ja, dann hatte er jederzeit seinen BlackBerry griffbereit.
Selbst seine Kleidung hatte er heute Morgen mit Blickrichtung nach vorn ausgewählt. Lydia hatte ihm vorgeworfen, er sei ›zu alt‹, deshalb hatte er sich von Brown Thomas eine modische Jeans mit dem Fahrradkurier kommen lassen und dazu – nach langer Erwägung – ein T-Shirt von Clash angezogen, denn Clash war zeitlos. Oder etwa nicht?
Apropos Clash, er steckte sich die Ohrstöpsel ins Ohr und hörte sich ein Stück von »Rock the Casbah« an, bevor ihn das langweilte und er zu Johnny Cash wechselte. Er sang ein paar Takte von »Walk the Line« mit und blickte irritiert auf den bananenförmigen Türklopfer von Nummer 66. Er fand ihn scheußlich, und jetzt, da die Sache zwischen ihm und Katie vorbei war, brauchte er ihn auch nie wieder zu sehen. Es sei denn, zwischen ihm und Lydia entwickelte sich etwas …
Er wusste nicht genau, warum, aber er fand sie extrem anziehend. Ihre Schönheit stach einem nicht sofort ins Auge, weil sie so zornig war, aber genau betrachtet war sie bildschön. Ihm gefielen ihr klar geschnittenes, kleines Gesicht und ihre spöttischen Augen. Er sah es gern, wie sie zierlich und wild hinter dem Steuer ihres Taxis saß. Er mochte es, wenn sie »Gdansk!« und »Rrrausss!« rief und all die verrückten Sachen.
Außerdem hatte sie das richtige Alter für ihn, da hatte Katie völlig Recht: Ein Mädchen Mitte zwanzig würde gut zu ihm passen. Die beiden Freundinnen, die er vor Katie hatte, waren Anfang dreißig gewesen, und sie waren irgendwie … wie sollte er es sagen? … in Erwartungshaltung. Ja, in Erwartungshaltung, dazu auf dem Posten. Er hatte diese beiden Beziehungen als eine gerade Linie betrachtet: Er hatte eine Ebene gefunden, die ihn zufrieden machte, und ihm behagte die Vorstellung, dass es immer so weitergehen würde, ohne Veränderungen, für immer. Na ja, vielleicht nicht für immer . Aber doch auf unabsehbare Zeit.
Hingegen hatten Saffron und Kym, das erkannte er rückblickend, die Beziehung mit ihm als keilförmig gesehen,
wie ein Stück Cheddar. Ausgehend von der Spitze erwarteten sie, dass sich die Beziehung
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