Der hellste Stern am Himmel
auf Katies Bett gelandet, vollständig bekleidet, und flüsterten sich gegenseitig ihre Geheimnisse ins Ohr.
»… meinen eigenen kleinen Krankenwagen, und ich würde zu Popfestivals fahren, und die Verletzten würden zu mir kommen, und ich würde ihre Wunden auswaschen und hätte Pflaster in allen Größen und Formen, denn man braucht ein kleines, wenn man sich in den Finger geschnitten hat, aber ein großes, zehn Zentimeter langes, für eine Wunde am Knie …«
Er nahm ihr Gesicht in seine Hände und küsste sie wieder. Sie war froh, dass sie auf dem Bett lag, denn sie hatte das Gefühl, sie könnte ohnmächtig werden. So war sie noch nie geküsst worden, so langsam, so endlos, als lebten sie, um zu küssen.
»Was ist mit deiner Hand passiert?«, fragte sie. »Hast du dich geschnitten?«
»Jemimas Hund hat mich gestern Abend gebissen. Er hat so getan, als wäre es ein Versehen. Er ist nicht ganz richtig im Kopf.«
Sie küssten sich wieder, und nach einer Ewigkeit fing Fionn an zu sprechen. »Hast du es auch gespürt?«, murmelte er. »Als ich dich sah, wusste ich es sofort. Dass du der wichtigste Mensch bist, dem ich jemals begegnen würde.«
»Warum ich?«
»Weil du nicht sterben wirst.«
»Was meinst du damit?«
»Ich weiß es selbst nicht genau.«
»Aber ich sterbe auch. Wir alle sterben.«
»Aber erst viel später. Du hast die schwierigen Zeiten schon hinter dir. Die Dreißiger. Das ist das Alter, in dem Frauen sterben.«
»Deine Frau?«
»Nein.«
»Deine Mum?«
Er nickte. »Das wollte ich am allermeisten, als ich mein Power-Jackett anhatte. Ich wollte sie zurückholen.«
Katie musste ein paar Sekunden verstreichen lassen, damit sie nicht uneinfühlsam wirkte. Dann fragte sie: »Sehe ich denn aus wie vierzig?« Eigentlich dachte sie, sie hielte sich ganz gut. Sie cremte sich mit hohem Lichtschutzfaktor ein und trank viel Wasser, das Übliche.
»Das habe ich nicht gemeint. Ich weiß nie, wie alt Frauen sind. Aber du hast dich sicher angefühlt.«
»Sicher – wie?«
»Sicher für mich. Sicher vor Schaden. In jeder Hinsicht sicher.«
NEUNUNDZWANZIG TAGE
Als Katie erwachte, war das Zimmer in frühes Morgenlicht getaucht. Sie war immer noch angezogen, aber ihre Schuhe fehlten. Sie hatte das Gefühl, in feinem, von Elfen gewobenem Gespinst eingehüllt zu sein. Wer hätte geahnt, dass ihr altes Federbett sich so köstlich anfühlen konnte?
»Ich muss jetzt gehen«, sagte Fionn. »Zur Arbeit.«
»Ist gut.«
»Heute Abend?«
Sie nickte zustimmend.
»Ich habe ein Geschenk für dich.« Er zog einen grünen Zweig hervor.
»Wieder Gartenraute?« Sie gähnte. »Hatte ich nicht gesagt, ich habe dir verziehen?«
»Das ist Salbei. Ich habe ihn vor Monaten gepflanzt und wusste nicht, warum, aber jetzt ist mir klar, dass ich ihn für dich gepflanzt habe. Salbei steht für Weisheit.«
»Danke.« Sie erlaubte ihm, ihn ihr in die Hand zu legen, aber sie wollte keine Weisheit. Fionn war ihr Abenteuer, ihr Geschenk, das sie sich selbst machte, und sie war bereit, sich auf vorsätzliche Dummheiten einzulassen.
»Na! Wenigstens eine, die genug bekommt!«, rief Danno, als Katie zu ihrem Schreibtisch ging.
»Jemand hat dich glücklich gemacht«, sagte George.
»Bist du … dünner geworden?« Lila-May musterte Katie. »Ich meine – seit gestern?«
»Ist der Schasser zurück?«, fragte Danno.
Beinah wäre Katie gestolpert. »Nein.«
»Wer dann? Der Fernsehgärtner?«
Katie nickte.
»Hattest du nicht gesagt, er sei ein Idiot?«
»Ja, na ja …«
NEUNUNDZWANZIG TAGE …
Matt und Maeve lagen auf dem Sofa und guckten gelangweilt zu, wie Fremde ein neues Badezimmer einbauten. Seit sechsundzwanzig Minuten hatten sie nicht gesprochen, dann sagte Matt: »Meinst du nicht, Menschen würden Verdacht schöpfen, wenn jemand eine Axt kauft.«
»Eine was?«
»Eine Axt. Würde man nicht argwöhnen, dass dieser Mensch vorhat, als Axtmörder sein Unwesen zu treiben, wenn er mit einer schönen blinkenden neuen Axt nach Hause käme? Wofür braucht man sonst eine Axt?«
»Um Holz zu hacken?«
»Wer hackt heute noch Holz? Wir sind doch nicht bei Rotkäppchen.«
»Wovon redest du eigentlich?«
»Ich habe an einer Bushaltestelle eine Frau getroffen –«
»Willst du mich umbringen?«
»Maeve!«
»Dein Unterbewusstes will dir offensichtlich irgendwas sagen.«
»Ich habe kein Unterbewusstes! Diese blöde Dr. Shrigley. Dauernd kommt sie mit irgendwelchen Deutungen. Ich will doch nur erzählen, dass da vor ein
Weitere Kostenlose Bücher