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Der hellste Stern am Himmel

Der hellste Stern am Himmel

Titel: Der hellste Stern am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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gestraffte Version des Unternehmens schien plötzlich die einzig mögliche. Niemand hätte dann noch glauben mögen, dass die alte, aufgeblähte Konstellation je bestanden, geschweige denn funktioniert hatte.
    Diesmal war es anders. Immer wieder kam ihm der Gedanke, dass diese abgespeckte Version des Unternehmens niemanden vollständig überzeugen würde. Es war wie bei einem Schönheitschirurgen, der eine Brustverkleinerung vorgenommen und dann vergessen hatte, die Brustwarzen wieder anzunähen.
    Er hatte das Persönliche mit dem Geschäftlichen vermengt. Er wollte nicht, dass die kambodschanischen Direktoren
in den Orkus geschleudert wurden, und diese Bedenken hatten sein geschmeidiges, glasklares Denken – sein Talent – behindert. Er war dann doch noch auf eine Lösung gekommen, aber jetzt, nachdem er die Sache abgeschlossen hatte und fast wieder zu Hause war, plagte ihn plötzlich eine schmerzliche Erkenntnis.
    Er hatte … das Wort musste er erst mal testen, es war ihm neu … also, er hatte versagt.
    Versagt. Niemand sonst argwöhnte etwas, seine Geldgeber in Mailand schienen zufrieden, aber Conall wusste es. Und irgendwann würde es sich herumsprechen. Conall lässt nach. Zu alt. Ausgebrannt. Kein Verlass mehr auf ihn.
    Sein Magen krampfte sich zusammen. Das Gefühl, versagt zu haben, war schlimm, so schlimm, wie er immer befürchtet hatte, und er hatte nie die Augen davor verschlossen, dass sein Urteilsvermögen ihn früher oder später im Stich lassen würde. Sein ganzes Berufsleben hatte er versucht, das zu vermeiden. Er hatte ein Projekt nach dem anderen angenommen, musste von Triumph zu Triumph eilen, damit seine Erfolgsrate immer noch überwältigend groß war, falls sein Glück ihn irgendwann verließ. Nachdem es jetzt zum ersten Mal passiert war, wusste er, dass es sich wiederholen würde. So wie bei einem Flugzeug: Wenn der Sinkflug beginnt, merkt man das, noch bevor der Pilot es ankündigt. Seine überwältigende Erfolgsserie war durchbrochen, und jetzt war er der irrationalen und kindlichen Überzeugung, dass sich die Zielrichtung seines Lebens geändert hatte und er dem neuen Pfad folgen musste, wohin er auch führte.
    Anpassung! Anpassung! Anpassung! Das war das Gebot der Stunde: Anpassung, um zu überleben. Und ihm
wurde noch etwas anderes klar: Er brauchte – und wollte – jemanden, der ihm bei der Arbeit half. Erst jetzt, da seine Aufgabe abgeschlossen war, konnte er sich eingestehen, dass es zu viel für ihn war. Die Flüge, die Wechsel von einer Zeitzone zur anderen, der Schlafmangel, die Fülle von Informationen … Zu oft hatte sich ihm in den letzten drei Wochen die schonungslose Einsicht aufgedrängt, dass er dem einfach nicht mehr gewachsen war. Zugegeben, jede Übernahme jagte ihm Angst ein, deswegen war er ja so gut – die Angst produzierte jede Menge Adrenalin –, aber diesmal war es anders gewesen. Für ein Projekt von diesen Dimensionen brauchte man mehrere Conalls.
    Einen Assistenten. Bitte, er hatte das Unsagbare gesagt: Er brauchte einen Assistenten. Jemanden, an den er Arbeit abgeben konnte, der Ideen mit ihm entwickelte und Verantwortung übernahm. Er hatte auch schon ein paar mögliche Kandidaten im Sinn – Leute, die jünger waren als er und vielleicht noch gnadenloser, als er als junger Mann gewesen war –, und jetzt überlegte er ernsthaft, wen er nehmen sollte. Aber wer sagte, dass er nur einen Assistenten haben konnte? Er könnte zwei haben, oder ein Team, eine ganze Gruppe von Menschen, die sich ihr unabhängiges Denken bewahrten. Zusammen wären sie furchterregend.
    Doch sollten sie wirklich erfolgreich sein, so bedeutete das, dass es Conall Hathaway, den einsamen Problemlöser, nicht mehr gab. Der war dann von der Bildfläche verschwunden. Was auch die Zukunft bringen mochte, und es konnte viel Gutes sein, es bedeutete trotz allem, dass er ein Versager war.

    Wie es sich so wohl lebte?, dachte er. Als Versager? Musste er demnächst, um seinen Adrenalinschub zu bekommen, Berge besteigen oder Extremsport betreiben? Bloß nicht! Er stellte sich vor, wie er und Jesse im Float miteinander wetteiferten, wer unter Wasser am längsten die Luft anhalten konnte – dann fiel ihm Lydia ein. Zum Glück. Sie war extrem genug, mehr brauchte keiner.
    Endlich war das Flugzeug gelandet. Conall löste den Sicherheitsgurt und schaltete seinen BlackBerry an, bevor eine Durchsage es ihm gestattete – schon möglich, dass er vergessen hatte, die Brustwarzen wieder anzunähen, aber

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