Der hellste Stern am Himmel
»und als ich hochguckte, stand plötzlich Schasser Hathaway neben mir. Eigentlich sollte er doch in Amsterdam sein. Mein Herz wäre beinah stehengeblieben. Bloß weil er Katies Brüste beglotzen wollte.«
Lila-May, eine zierliche, quirlige Schönheit, fand es befremdlich, dass sie von Katie an den Rand gedrängt wurde. Tamsin ging es ähnlich, Audrey hingegen machte es nichts aus.
»Ich bin Conall Hathaway, und ich kriege immer, was ich will.« Danno sprang auf und tanzte im Büro umher. Er umfing Katie, machte mit ihr einen ausladenden Tangoschritt, kam mit dem Mund nah an ihren, riskierte es, seine Hand auf ihre linke Brust zu legen, und stöhnte: »Ich muss dich haben. Und ich werde dich bekommen!«
»Hör auf damit, Danno!« Katie befreite sich aus seinem Griff. »Hör bloß auf damit!«
»Warum du?«, rätselte Lila-May und musterte Katie mit Röntgenblick. »Ich meine nur … warum du?«
Katie verstand das genauso wenig wie die anderen. Männer wie Conall, erkennbar an ihren Anzügen, ihren Uhren und ihrem Machtgehabe, waren auch an ihren Freundinnen erkennbar. Sie war zu alt, zu sehr vom Leben gezeichnet, hatte zu viel Oberschenkel für jemanden wie ihn.
»Ich weiß auch nicht, aber wenn man alt genug ist, gibt es keine Überraschungen mehr«, sagte sie.
»So alt bist du doch gar nicht«, sage Danno.
»Warum tut ihr dann alle so, als wäre ich steinalt?«
»Wirst du mit ihm ins Bett gehen, um unsere Arbeitsplätze zu retten?«, fragte George.
»Das wird unsere Arbeitsplätze nicht retten.«
»Aha! Du denkst also darüber nach, ob du mit ihm schlafen sollst.«
Ja, natürlich dachte sie darüber nach. Glaubten sie etwa, sie sei nicht nur steinalt, sondern auch noch dumm?
Und Conall Hathaway feuerte die Leute scharenweise – demnächst wären ihre Kollegen, wahrscheinlich sie selbst dran. Es käme einer Kollaboration gleich.
»Sie tut es! Sie tut es!«, krähte Danno. »Aber du verachtest ihn.«
Ja, sie verachtete ihn und seine Arbeit, aber interessant war: Seit er es so deutlich gemacht hatte, dass er sie attraktiv fand, verachtete sie ihn weniger. Nicht weil sie so schwach war und einen Mann deshalb attraktiv fand, weil er sie attraktiv fand, sondern weil er sie überraschte. Wie ihre Kollegen ihr immer wieder erklärten, hätte Conall sich auch der jungen, saftigen Lila-May zuwenden können, oder der jungen und nicht ganz so saftigen Tamsin, oder der jungen und nicht wirklich saftigen Audrey, die dennoch saftiger als Katie war. Er aber hatte sie alle links liegen lassen und war schnurstracks auf sie, die reife Frau, zugekommen. Wie konnte man davon nicht beeindruckt sein?
Und was immer Danno sagte, Conall Hathaway hatte nicht die kalten, toten Augen eines Killers. Wenigstens nicht die ganze Zeit. Es gab Momente, da bewirkten seine Augen bei ihr …
»Sieh dich bloß vor«, warnte Danno sie. »Du bist wie
ein ausgetrockneter Waldboden, auf den ein Jahr lang kein Regen gefallen ist. Wenn du Conall Hathaway erlaubst, dein Feuer zu entfachen, könnte das eine Höllenbrunst hervorrufen, die uns alle dahinrafft.«
Danno machte sie zwar sauer, aber er sprach die Wahrheit. Es war ein Jahr her, dass sie mit jemandem geschlafen hatte. (Nullgamie, sagte ihre Freundin Sinead dazu.) Es war wichtig, sogar überlebenswichtig, dass sie sich nicht wie eine ältliche Jungfer aufführte, die sich an jeden Mann ranwarf.
Denn das war sie nicht.
SECHZIG TAGE …
Fionn hatte nur eine Hand am Steuer und fuhr viel zu schnell. Nach zehn Minuten bog er in die Einfahrt zu einem großen Haus – eine Art hässliche, protzige Southfork-Ranch – und ging, das Bündel Mohrrüben in der Hand schwenkend, hintenrum zur Küchentür.
»Jill«, rief er und klopfte an das Glas in der Tür. »Ich bin’s, Fionn.«
(Jill war eine hektische Person, die all ihre Energie für andere – ihre vier Kinder, ihren Mann, ihre alte Mutter – verwendete, so dass kaum noch welche für sie selbst blieb. Von einer schwach pulsierenden Angst abgesehen, war ihre Lebenskraft so erschöpft, dass ich einen kurzen Moment dachte, sie sei tot.)
Doch Fionns Stimme hatte eine belebende Wirkung auf sie. Fionn war nur für sie da, sie hatte sich Fionn zum
Geschenk gemacht, Teil einer inneren Abmachung, damit sie nicht den Verstand verlor. Früher war ihr einziges Vergnügen eine abendliche Schlaftablette gewesen, die ihr sieben Stunden barmherzige Auslöschung beschert hatte, doch dann stahl Tandy, ihre fünfzehnjährige Tochter, das Rezept und
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