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Der hellste Stern am Himmel

Der hellste Stern am Himmel

Titel: Der hellste Stern am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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nahm eine Überdosis. Tandy erzählte allen, was sie getan hatte, so dass noch Zeit war, ihr den Magen auszupumpen, aber für Jill bedeutete es das Ende der Schlaftabletten. Wenn eine Tochter im Teenageralter im Haushalt lebte, durfte man nichts rumliegen lassen, keine Mascara, keine Stiefeletten, kein Brotmesser, keine Beruhigungsmittel: Sie nahmen alles, diese egoistischen Biester. Als Tandy aus dem Krankenhaus entlassen wurde, nahm sie das Brotmesser mit in ihr Zimmer und experimentierte mit ein paar Schnitten auf ihrem Unterarm – in Take a Break hatte sie über Selbstverletzungen gelesen, und es hatte sie interessiert –, doch zu ihrer Überraschung war es sehr schmerzhaft. Das Mädchen in der Zeitschrift hatte erzählt, sie habe nichts gespürt, es habe nicht wehgetan. Während Tandy auf andere dramatische Methoden sann, mit denen sie die Aufmerksamkeit auf sich lenken konnte, und überlegte, ob sie schwanger werden sollte, musste Jill weitermachen, ohne Schlaftabletten, ohne die Aussicht auf Auslöschung des Bewusstseins am Ende des Tages.
    Doch dann hatte Jill Fionn kennengelernt, und den konnte ihr keiner wegnehmen. Nur Fionn selbst konnte das, denn er war so gefragt, dass er sie jederzeit, wann immer es ihm passte, wegen einer anderen verlassen konnte.
    Er kam mit vierzig Minuten Verspätung – er war nie
pünktlich, und sie hatte schon gedacht, dass heute der Tag sei, an dem er überhaupt nicht käme –, aber in der freudigen Erregung seiner Gegenwart löste sich ihr Schrecken in ein Nichts auf.
    »Kommen Sie rein.« Sie verschloss die Augen vor den Lehmklumpen, die er auf ihrem geputzten Holzfußboden verteilte.
    Fionn warf die Mohrrüben auf den Küchentisch. »Frisch gezogen, vor kaum zehn Minuten.«
    »Mohrrüben!« Jill empfing das Geschenk mit einem Staunen, als wären es Diamanten. »Und Erde von Ihrem Garten hängt noch dran!«
    »Sie sind ganz süß«, sagte er und lächelte ihr mit einem Zwinkern zu. »Ein bisschen so wie Sie selbst. Aber … ich habe eine Neuigkeit. Ich fahre für ein paar Tage nach Dublin.«
    »Ist es … die Sache mit dem Fernsehen?« Jill hielt den Atem an.
    Jeder in Pokey hatte die Geschichte gehört, als Carmine Butchers Schwester Grainne, die »beim Fernsehen arbeitete«, zur Taufe von Carmines Jungen gekommen war, wie sie Fionn kennengelernt hatte und fand, dass er genügend Starpotenzial habe, um eine eigene Garten-Show zu machen, wie wenige Tage später ein silberfarbener BMW vor Fionns kleinem weißen Haus hielt und ihn nach Dublin fuhr, wo er auf seine Fernsehtauglichkeit getestet wurde und Gespräche mit der Produktionsfirma hatte und alle möglichen Prozeduren über sich ergehen lassen musste.
    »Richtig, die Sache mit dem Fernsehen«, bestätigte Fionn. »Keine gute Zeit dafür, schließlich ist das die Jahreszeit,
wenn im Garten alles wächst und sprießt, aber ich will es mal versuchen, mal sehen, was passiert.«
    »Oh …« Jill fühlte sich beraubt, obwohl es eindeutig den eigenen Status erhöhte, wenn man einen Gärtner mit eigener Fernsehshow hatte. »Sie sind so gut, das denkt jeder.«
    »Hören Sie auf.« Er wand sich unbehaglich.
    »Vergessen Sie mich nicht, wenn Sie ein Star sind.«
    »Ich werde schon kein Star werden. Es ist eine Gärtnersendung. Und ich bin auch nur für einen Monat oder so weg.«
    »Die müssen Ihnen ein Hotelzimmer bezahlen.«
    »Nein, nein, ich wohne bei Jemima.«
    »Würden Sie kein Hotel bezahlt bekommen?« Gleich war Jills Ehrfurcht geschmälert.
    »Doch, schon. Aber ich wohne lieber bei Jemima.«
    »Wirklich?« Jill war enttäuscht. Nichts gegen Jemima, für eine wohltätige Protestantin war sie okay, aber Jill fand nichts so wunderbar wie Hotels. Sie träumte davon, dass ihre Southfork-Ranch in einem Erdloch versinken würde, ein Verschulden der Baufirma, so dass die Versicherung den Schaden bezahlten musste, und während das Haus repariert wurde, musste sie in einem Hotel wohnen. Sie liebte Hotels. Man konnte das Zimmer versauen, regelrecht versauen – Handtücher auf den Boden werfen, Make-up auf der Bettwäsche verschmieren, Ketchup auf den Teppich kippen und sogar Weingläser zerschlagen –, und jemand anders musste alles wieder in Ordnung bringen. (An schlimmen Tagen träumte sie sogar, als eine Art Nebenstrang, dass ihre vier Kinder, ihr Mann und ihre Mutter in dem abgerutschten Haus festsaßen.
Nicht, dass sie ihnen Böses wünschte, sie sollten nur nicht alle mit ihr im Hotel sein, deswegen stellte sie sich vor,

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