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Der hellste Stern am Himmel

Der hellste Stern am Himmel

Titel: Der hellste Stern am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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tut richtig doll weh, erstaunlich weh sogar, besonders, weil es nur ein Blatt Papier war. Nicht so ein riesiges Schwert, wie die, mit denen die Leute in den Al-Qaida-Videos umgebracht werden.«
    »Ein paar Tage lang wird alles wehtun, was du machst.«
    »Und dann hört es auf?«
    »Und du merkst es nicht einmal. Du überlegst doch nicht etwa, wieder zu ihm zurückzugehen?«, fragte Poppy vorsichtig.
    Lydia schnaubte. »Natürlich nicht. Mit dem würde mich nie wieder einlassen.« Außerdem war es kompliziert. Nicht wie andere Trennungen, bei denen nur einer
einen Fehltritt begangen hat, während der andere der Märtyrer ist und darauf wartet, reumütig um Verzeihung gebeten zu werden. Sie hatten beide verletzt und waren verletzt worden, deswegen gab es keine Lösung.
    »Gut. Du wirst es überstehen, außerdem gibt es da, wo er herkommt, noch reichlich andere. In Lagos«, fügte Poppy hinzu.
    In dem Punkt hatte Poppy Recht: Es gab immer neue Männer. Auch wenn Lydia immer noch auf den wartete, der sie nicht mit seiner Weichlichkeit, seiner Untreue oder seiner unverkennbaren Dummheit enttäuschte. »Weißt du was, Poppy? Was mit Männern ist? Es ist nicht die Verzweiflung, die mich umbringt –«
    Dann sangen sie zusammen: » – es ist die Hoffnung.«
    »Wie lange dauert es, bis ich über ihn weg bin?«, fragte Lydia.
    »Drei Tage ist es her? Eine Woche musst du rechnen. Kann ich jetzt mit meinen Alpträumen weitermachen?«
    Lydia hätte sich am liebsten weiter unterhalten. Sie wollte erklären, dass sie sich verabscheute, weil sie dachte, Gilbert hätte sie verdient. Aber wenn sie es sagte, würde Poppy sie wegen ihres unangemessen hohen Selbstwertgefühls tadeln und sie dran erinnern, dass andere junge Frauen das nicht mochten, wenn sie so etwas öffentlich machte.
    Aber da war noch etwas.
    »Was ist mit … dem anderen …« – Lydia brachte das Wort kaum heraus – »… Mann.«
    »Mit Andrej, deinem Mitbewohner, mit dem du versehentlich geschlafen hast? Das fällt nicht unter den Poppy-Test.«

    »Aber was denkst du darüber?«
    »Ich denke, jedes Mal, wenn du ihn siehst, empfindest du Schuldgefühle und Verwirrung –«
    »Ekel.«
    »Ekel? Ist es so schlimm?«
    »Seitdem kann ich nicht mit ihm in der Wohnung sein …«
    Seit dem Moment – oder den Momenten – des Vögelns. Kaum war es vorbei, war sie zu Gilbert gerannt in der irrigen Annahme, wenn sie es ihm gestand, dann wäre es vielleicht nicht passiert. Mann, wie hatte sie sich so irren können? Sie kam an der Erkenntnis nicht vorbei, dass es sehr wohl passiert war und, was noch schlimmer war, dass sie und Gilbert nicht mehr zusammen waren. Allein der Gedanke an Andrej war ihr so zuwider, dass sie buchstäblich nicht die gleiche Luft atmen wollte wie er. Aber sie hatte keine Ausweichmöglichkeit, denn mit Gilbert und ihr war Schluss, deswegen war sie die Nacht über herumgefahren und hatte hier und da einen Fahrgast aufgegabelt. Als sie nach Hause kam, gegen halb neun Uhr morgens, war Andrej zur Arbeit gegangen. Von da an hatte sie zu einem anderen Arbeitsrhythmus gewechselt – sie fuhr die Nacht durch und kam morgens zum Schlafen nach Hause, wenn sie sicher sein konnte, dass Andrej zur Arbeit aufgebrochen war. In ein paar Wochen wollte er für den Sommer nach Polen fahren, und vielleicht schaffte sie es, ihm bis dahin aus dem Weg zu gehen.
    »Ich persönlich«, sagte Poppy, »finde Andrej ziemlich sexy. Ich verstehe schon, warum –«
    »Bitte! Nein! Sei still!« Auf ihrer Haut kribbelte es bei
dem Gedanken, dass sie – grauenvoll – miteinander geschlafen hatten. Schrecklich! Schreck-lich!
    »Meinetwegen. Ekel. Du wirst ihm die Schuld dafür geben, dass zwischen dir und Gilbert Schluss ist. Aber du musst deine Gefühle unterdrücken, bis einer von euch auszieht. Richte dich darauf ein.«
    »Vielleicht hätte ich Gilbert nichts sagen sollen.«
    »Das hätte nichts daran geändert, dass er dich betrogen hat.«
    »Ja. Ist schon besser, dass ich das weiß.« Zum hunderttausendsten Mal stieg heiße Wut in ihr auf.
    »Ich muss jetzt weiterschlafen, Lydia. Vergiss Gilbert. Bis später.«
    Poppy legte auf, und Lydia war mit ihren Gedanken allein. Sie begriff nicht, wie schnell sich alles verändert hatte. Vor einer Woche um diese Zeit, noch vor vier Tagen, war ihr Leben – fast ihr ganzes Leben – völlig in Ordnung gewesen. Sie war mit einem Mann zusammen, der sexy war und Freunde hatte, die sie mochte, und zusammen bildeten sie eine kleine Gemeinschaft,

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