Der Herr der Augenringe
Zwerge«, erwiderte Legolam, »die aus dem Hals stinken.«
Zum zwanzigsten Mal zogen die beiden die Waffen, jeder nach dem Gekröse des anderen lechzend, aber Stapfer legte sich ins Mittel, damit nicht einer getötet werde. Zu essen gab es sowieso nichts mehr.
»Haltet ein und hört auf, hinweg, steckt das Schwert in die Scheide, nehmt Abstand vom Streit, seid friedlich!«, sprach er und hob einen zerfransten Handschuh.
»Hau ab, verschwinde«, knurrte der Zwerg. »Ich will aus diesem Lügenmaul Hackfleisch machen!«
Aber der Waldläufer zog seine Waffe, und der Kampf endete so schnell, wie er begonnen hatte, denn auch Zwerge und Elben schätzen einen Dolchstoß von hinten nicht. Dann, als die Duellanten ihre Klingen wegsteckten, erklang Stapfers Stimme von neuem.
»Sehet!«, rief er und deutete gen Süden. »Viele Reiter nähern sich wie der Wind!«
»Ich wünschte, sie ritten mit dem Wind«, sagte Legolam und rümpfte die Nase.
»Wahrlich gute Nasen haben die Elben«, sagte Stapfer.
»Und schwul sind sie«, murmelte der Zwerg.
Alle drei starrten auf den Staub am fernen Horizont. Dass sich Schafreiter näherten, war unzweifelhaft, denn der Wind kündigte ihr Kommen an.
»Meint ihr, sie sind uns wohlgesonnen?«, fragte Legolam, wie Espenlaub zitternd.
»Das vermag ich nicht zu sagen«, erwiderte Stapfer. »Wenn ja, haben wir nichts zu befürchten; wenn sie Feinde sind, müssen wir ihrem Grimm durch List entrinnen.«
»Wie?«, fragte Gimbohr, der auf der Ebene keine Möglichkeit sah, sich zu verstecken. »Kämpfen oder fliehen wir?«
»Weder noch«, sagte der Waldläufer und ließ sich auf den Boden fallen. »Wir stellen uns tot!«
Legolam und Gimbohr sahen sich an und schüttelten den Kopf. Es gab nicht viel, worüber sie sich einig waren, aber bestimmt über Stapfer.
»Wir könnten genauso gut ein paar mit in den Tod nehmen«, sagte Gimbohr und zog sein Hackebeil, »denn es geht sich besser mit zugeknöpftem Hosenlatz.«
Die Herren der Schafe kamen dräuend näher, und das wütende Kriegsgemecker ihrer Reittiere war jetzt zu hören. Groß und blond waren die Roi-Tanner und trugen gefährlich aussehende Pickelhauben und kleine Hitlerbärtchen. Auch trugen sie hohe Stiefel und kurze Lederhosen mit Trägern und hatten lange Spieße in der Hand, die man für bleibeschwerte Moppbesen hätte halten können.
»Sie haben grimmige Gesichter«, fand Legolam.
»Jawohl«, sagte Stapfer, indem er durch die Finger lunzte. »Stolz und eigenwillig sind die Männer von Roi-Tan, und Land und Macht schätzen sie hoch. Aber das Land ist oft das ihrer Nachbarn, und daher sind sie ziemlich unbeliebt. Zwar sind sie des Lesens und Schreibens unkundig, doch lieben sie Gesang und Tanz und vorsätzlichen Mord. Aber Krieg ist nicht ihr einziges Gewerbe, denn sie vermieten auch Ferienwohnungen an ihre Nachbarn, hübsch ausgestattet mit den allermodernsten Backöfen und Duschräumen.«
»Dann können diese Schufte nicht ganz schlecht sein«, sagte Legolam hoffnungsvoll. Just da sahen sie, wie hundert Klingen aus hundert Scheiden fuhren.
»Wetten?«, fragte Gimbohr.
Hilflos mussten sie mitansehen, wie die Reiterschar auf sie zuhielt. Plötzlich gab der Reiter in der Mitte, dessen Pickelhaube zusätzlich mit zwei langen Hörnern verziert war, mit der Hand ein Zeichen anzuhalten, und als die Männer ihre Tiere zügelten, erwiesen sie sich als erstaunlich unfähige Schafreiter. Zwei ihrer heruntergefallenen Kameraden wurden in dem folgenden Durcheinander des Stampfens und Trampeins verletzt.
Als die Schreie und Flüche schwächer wurden, galoppierte der Führer auf einem Merinobock von großer Stattlichkeit und Weiße, dessen Schwanz kunstvoll mit bunten Gummibändern umflochten war, zu den dreien.
»Der Kerl sieht wie’n Taschendieb aus«, flüsterte Gimbohr, ohne die dicken Lippen zu bewegen. Der Führer, einen Kopf kleiner als die anderen, betrachtete sie misstrauisch durch Doppelmonokel und schwenkte einen Schlachtmopp. In diesem Augenblick wurden sich die Gefährten darüber klar, dass der Führer eine Frau war, eine Frau, deren geräumiger Brustharnisch auf eine Gestalt von einiger Üppigkeit schließen ließ.
»Wo ist ihr gehen und was tut ihr hier, wenn ihr überhaupt nicht hier sein solltet, wo ihr ist?«, fragte die Führerin in der etwas verstümmelten Gemeinsamen Sprache.
Stapfer trat vor, verbeugte sich tief, ließ sich auf ein Knie nieder und entbot den Sklavengruß. Dann küsste er den Boden zu Füßen der
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