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Der Herr der Falken - Schlucht

Der Herr der Falken - Schlucht

Titel: Der Herr der Falken - Schlucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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Burra.
    Chessa legte den Kopf zur Seite und nahm den mit seltsamen Zeichnungen und Gravuren versehenen Stab. Plötzlich warf sie ihn mit einem kleinen Laut des Erstaunens in die Luft und fing ihn mit drei Fingern wieder auf, so leicht war er. »Das Ding ist heiß«, entfuhr es ihr dann. Sie warf ihn von einer Hand in die andere, als sei er federleicht. »Sehr heiß, und er wiegt fast nichts. Wie kommt das?«
    »Sieh dir die Zeichen an, Chessa.«
    Plötzlich ließ sie den Stab fallen. »Tut mir leid, aber er ist plötzlich ganz kalt geworden. Ich konnte ihn nicht mehr halten.« Sie blickte Varrick stirnrunzelnd an, bückte sich und berührte den Burra, der sich jetzt angenehm warm anfühlte, weder heiß noch kalt. Sie hob ihn wieder auf und studierte die Kreise und Vierecke. »Er ist sehr alt«, sagte sie gedehnt. »Ich spüre, daß er älter ist als die Landzunge, auf der diese Festung steht.« Verwirrt blickte sie ihren Ehemann an. »Cleve, das ist sehr seltsam. Ich berühre diese Kreise und Vierecke, und mir ist, als versinken meine Finger im Holz, obwohl sie es gar nicht tun. Aber ich spüre, wie tief sie geschnitzt sind. Eigentlich sind es gar keine Schnitzereien, sie sind glatt und tief, unermeßlich tief.« Dann verstummte sie und blickte auf ihre Finger, die jedes Muster langsam nachzogen. Plötzlich erbleichte sie, und ihre Augen weiteten sich angstvoll. Cleve sprang auf die Füße, entriß ihr den Heidenstab und stieß ihn Varrick hin. Das war nicht einfach, weil das Ding so schwer war. Dann schloß er Chessa in die Arme. »Schon gut, Chessa. Was ist passiert? Kannst du mir das sagen?«
    Ihr Gesicht lag an seiner Schulter. »Ich habe meine Mutter Naphta gesehen. Ganz deutlich, als stünde sie hier vor mir. Sie war so echt, Cleve. Und dann hat sie mir zugelächelt, und ich war ein kleines Kind. Sie war so lebendig, Cleve.«
    Cleve rieselte ein kalter Schauer über den Rücken, seine Nackenhaare sträubten sich. Das gefiel ihm alles nicht - nicht diese Finsternis am hellichten Morgen, nicht der Sturm, der die Festung erbeben ließ, ebensowenig das Geräusch der tobenden Wassermassen, die die Festung wegzuspülen drohten. Am wenigsten gefiel ihm dieser Burra, der in Chessa eine seltsame Regung hervorgerufen hatte. Er hatte das plötzliche Bedürfnis, so rasch wie möglich von hier fortzukommen.
    Doch er gehörte hierher. Kinloch war sein Geburtsrecht. Aber das alles gefiel ihm nicht. Um Chessa zu beschwichtigen, sagte er: »Dein Vater ist ein großer Zauberer. Es ist ganz natürlich, daß du dich zu uralten und heiligen Dingen hingezogen fühlst. Komm, ich möchte mit dir und Kiri die Gegend erforschen, um herauszufinden, ob meine Kindheitserinnerungen mich trügen oder nicht.«
    Varrick sagte nichts. Behutsam steckte er den Burra in eine bestickte Scheide, die er mit einem Lederriemen an seinem Gürtel festband. Die Scheide war ebenfalls mit roten und blauen Kreisen und Vierecken bemalt und sah genauso alt aus wie der Burra. Andererseits wirkte das Leder nicht alt und brüchig. Cleve haßte Dinge, die keinen Sinn ergaben. Die Menschen war ohnehin hilflose Geschöpfe; dieser unerklärliche Zauber, diese Sinnestäuschung schienen ihm unnötig verwirrend. Wieso war dieser komische Stab leicht wie eine Feder, wenn Varrick oder Chessa ihn anfaßten? »Dein Bruder Athol wird euch die Gegend zeigen, Cleve. Der Junge kennt jede Schlucht und jeden Hügel, jeden Baum und jeden Strauch. Er führt euch und paßt auf euch auf. Von den Pikten und Briten gibt es kaum etwas zu befürchten. Die Skoten sind wilder, aber normalerweise lassen sie uns in Ruhe. Dennoch muß man immer auf der Hut vor Gesetzlosen und Dieben sein; vor Banditen, die plündernd und mordend durchs Land ziehen. Der Schottenkönig Constantine bestärkt diese Kerle auch noch in ihren Überfällen gegen uns. Wir wehren uns natürlich. Meine Männer sind grimmige Kämpfer, die keine Gnade kennen. Ich gebe euch ein Dutzend Leute als Begleitschutz mit, wenn ihr nach Süden reitet. Es freut mich, daß du das Land kennenlernen willst, das dir nach meinem Tod gehören wird.«
    Varrick gab ihnen Reitpferde. Cleve hatte als Knabe ein Pony geritten und war erst wieder in Malverne auf einem Pferd gesessen. Er machte zwar eine gute Figur auf dem grobknochigen, braunen Hengst, wäre aber lieber zu Fuß gegangen. Doch das Land um Kinloch dehnte sich weit nach Westen und Süden aus. Chessa saß elegant auf einer braunen Stute, die zu Kiris Erheiterung ständig mit dem

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